Die Anschläge vom 11. September waren ein grausamer Höhepunkt in der Geschichte der Selbstmordattentate: Die Katastrophe von New York erreichte vor allem deshalb eine so schreckliche Dimension, weil die Attentäter bereit waren, sich mitsamt der entführten Passagierflugzeuge selbst in den Tod zu stürzen. Terrorattacken dieser Art sollen nicht nur Menschen töten. Sie sollen vor allem Angst verbreiten, schreibt der Journalist und Islam-Experte Christoph Reuter in seinem … mehraufschlussreichen Buch: "Denn nichts ist auszurichten gegen Täter, die nicht bloß entschlossen sind zu töten, sondern die selbst sterben wollen dabei. Alle Logik der Macht setzen sie außer Kraft, denn wer nicht überleben will, ist auch mit nichts zu bedrohen." Reuter macht sich auf die Suche nach Erklärungen für dieses Phänomen. Mit großer Sachkenntnis untersucht er die Geschichte der Selbstmordattentate. Und die begann im 11. Jahrhundert mit einer kleinen radikalen Sekte: den Assassinen. Ihren Kampf gegen die herrschenden Glaubens- und Machtverhältnisse in Arabien führten die Assassinen, indem sie ihre Gegner aus nächster Nähe ermordeten und sich anschließend von den herbeigeeilten Leibwächtern töten ließen. Im 20. Jahrhundert wurde dieses Konzept vom iranischen Ayatollah Chomeini wiederbelebt. Chomeini lieferte für den im Islam eigentlich verpönten Selbstmord erstmals eine religiöse Rechtfertigung. Im Nahen Osten nutzen seit einigen Jahren extremistische Palästinenser-Organisationen wie die Hisbollah Selbstmordattentate für ihren Kampf gegen Israel. Der Autor hat lange vor Ort recherchiert und berichtet eindrücklich von der regelrechten Infrastruktur, welche die Hisbollah für die Durchführung der Anschläge aufgebaut hat. Psychologen kommen zu Wort, Augenzeugen und Familienangehörige von Selbstmordattentätern. Wie aber lassen sich Menschen dazu bringen, ihr eigenes Leben auf diese Weise zu opfern? Reuter lehnt einfache Erklärungen ab: Weder Gehirnwäsche noch ein fanatisierter Glaube an ein Leben im Jenseits seien ausschlaggebend. Der Autor macht vielmehr bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse verantwortlich: Jahrelange Unterdrückung und enttäuschte Hoffnungen gehen seiner Ansicht nach eine gefährliche Mixtur ein mit einer zugkräftigen religiösen oder politischen Motivation. Restlos erklären lässt sich das Phänomen der Selbstmordattentate vermutlich nie. Reuters Buch ist gleichwohl ein spannender und wichtiger Beitrag zum Thema. --Christoph Peerenboom weniger