Schubert und der Delta-Blues... Das Buch beginnt mit einem fast unscheinbaren Satz: "Sie werden lachen, aber ich komme aus Wien." Ironie als Mittel, die Wirklichkeit nicht ernst zu nehmen -- das bleibt über 540 Seiten die treibende Kraft hinter Peter Henischs ambitioniertem Versuch anhand der Figur des Schwarzen Peter, Kind einer Wiener Straßenbahnschaffnerin und eines amerikanischen Besatzungssoldaten, auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts zu erzählen. Wien ist … mehrPeters Zuhause, aber doch ist er ein Fremder: Er ist schwarz, nicht völlig schwarz, doch schwarz genug, um das Anderssein Tag für Tag schmerzhaft zu erfahren. Langsam und bedächtig entwickelt Henisch die persönliche Geschichte seines Romanhelden und lässt in seinen Bildern das Österreich der Nachkriegszeit wieder aufleben -- Trümmerfrauen, Gemeindebau, erster Italienurlaub, Prager Frühling, Revolte 1968, Wohngemeinschaft, Ära Kreisky, Reichsbrückeneinsturz. Die Geschichte der Ersten Republik wird dabei anhand der Leseerfahrungen Peters, der Arbeit bei einem jüdischen Buchhändler gefunden hat, sozusagen nachgetragen. Von seiner Geburt im Nachkriegsjahr 1946 bis 1977 hat Peter in Wien gelebt, ehe er als ein am Alkohol gescheiterter Austropopper nach New Orleans auswandert, dem Herkunftsort seines unbekannten Vaters. Jetzt, in seiner Position als Ich-Erzähler des Romans und als ein Mann, der die Mitte seines Lebens überschritten hat, verdient er sich dort als Barpianist seinen Lebensunterhalt. Von seinem Platz hinter dem Klavier aus erklärt er dem Leser -- quasi einem Fremden -- was Wien, was Österreich ist, um ihn schließlich, nach über 20 Jahren, auf eine Reise zurück in die alte Heimat mitzunehmen, wo er prompt als mutmaßlicher Asylant und Drogenschmuggler in Schubhaft gerät. Wieder einmal interessiert die Menschen nur seine Hautfarbe und nicht das, was er sagt, denkt oder fühlt. Mit diesem zwischen Donaukanal und Mississippi angesiedelten Opus magnum ist Peter Henisch ein reifer und politisch brisanter Entwicklungsroman gelungen, der, getragen von einer spezifisch wienerischen Erzählmelodie, auch zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Vielfalt und Toleranz geraten ist. --Wolfgang König weniger