Hugo Loetscher, einer der großen zeitgenössischen Schriftsteller aus der Schweiz, hat einen neuen Roman vorgelegt: Die Augen des Mandarin ist zweifellos keine leicht verdauliche Kost. Aber es ist ein Buch, das erlebbar werden läßt, was im Klappentext über den Autor zu lesen ist: Ein Kosmopolit schreibt hier. Es ist ein Roman, bei dem eine stringente Handlung nicht leicht auszumachen ist: Episoden sind es, aufgehängt immer an dem einen: Die Augen, die bekanntlich der … mehrSpiegel der Seele genannt werden. Es ist die Geschichte von Past, dem Romanhelden, der mal hier mal da lebt, auch mal, ausgerechnet in Vietnam, ein Kind zeugt, und wo der unstete Text über das rastlose Leben eines nicht minder rastlosen Helden ein Stück weit auch das Leben dessen widerspiegelt, der ihn vor dem geistigen Auge des Lesers aufbaut: Der Autor selbst hat auch schon die ganze Welt gesehen, wird als Kosmopolit beschrieben, und das wird in dem Buch auch deutlich. Da ist die rührende Geschichte von seinem in Vietnam gezeugten Sohn, bei dessen Bestattung nach den Riten der fernöstlichen Heimat er dabei sein muß. Vatergefühle pur werden hier beschrieben. Da ist die köstliche Episode von dem, was heute neudeutsch gern Lebensabschnittsgefährtin genannt wird: Eine Gesundheitsfanatikerin, eigentlich die Karikatur eines weiblichen Öko-Freaks, die ein schlechtes Gewissen bei ihm hervorruft, weil er sich mal eine Wurst an einer Frittenbude gönnt. Der Leser wird Zeuge des Altwerdens des Romanhelden, nimmt Anteil an seinen zunehmenden Gebrechen, die er geradezu köstlich beschreibt. Es ist letztendlich ein nachdenkliches Kaleidoskop des Lebens heute. --Corinna S. Heyn weniger