Creepers nennt man in der Erwachsenenwelt jene verschworenen und sich im Internet zusammenfindenden Menschengruppen, die zumeist nachts in leerstehende Fabrikhallen, abbruchreife Hotels oder stillgelegte Krankenhäuser eindringen, um in die Geschichte der Gebäude einzutauchen und auf diese Weise auf Abenteuertour zu gehen. Da ist schon sehr viel Kindliches in diesem Unterfangen, dem David Morrell 2006 einen eigenen Thriller widmete: Denn Kinder gehen seit jeher in Ruinen … mehrund auf Baustellen auf derartige Entdeckungsreisen. Genau dies tun sie auch im Roman Die Eisfestung, in dem ein Mädchen namens Emily und zwei Jungen namens Simon und Marcus nach einer zufällig entstandenen Schneeballschlacht am Fuß einer Burgruine beschließen, diese zu erobern. Was als harmloser Trip beginnt, weitet sich bald zum Alptraum aus. Denn der geheimnisvolle Marcus weigert sich beharrlich, die Expedition als Spiel zu begreifen. Als sein Vater am Fuß der Burg erscheint, um die Gruppe herauszuholen, sichert er die Festung professionell gegen mögliche Angreifer -- die Feinde -- ab. Und als dann sogar Polizei und Feuerwehr anrücken, eskaliert die Situation auf lebensbedrohliche Art und Weise... Die Eisfestung schrieb der 36-jährige englische Bestseller-Autor Jonathan Stroud nach eigener Aussage zu einer Zeit, als der erste Band seiner zu Recht berühmt gewordenen Bartimäus-Trilogie entstand -- und irgendwie klingt der eigentlich etwas schmalbrüstige Plot auch ein wenig so, als sei das Buch eher aus einem Nebengedanken zur eigentlichen schriftstellerischen Arbeit entstanden. Aber auf den zweiten Blick ist die parallele Konzeption der beiden Werke nur konsequent. Denn in beiden Fällen geht es Stroud offenbar darum aufzuzeigen, was passiert, wenn Realität und Phantasie aufeinander prallen und sich die Phantasie allmählich selbstständig macht, um die Realität zu erobern -- nur, dass in der Eisfestung keine Fabelwesen eine Rolle spielen und das Thema in der Form eines Thrillers mit der dramaturgischen Qualität des Kammerspiels abgehandelt wird. Von dieser Warte aus gesehen ist Die Eisfestung allemal ein kleines Kabinettstück, das man mit den Bartimäus-Romanen gar nicht erst vergleichen sollte. Vom Verlag empfohlen für Leser ab zwölf Jahren. -- Thomas Köster weniger