Manchmal wünscht man sich, man wäre mit seinen Superlativen etwas sparsamer umgegangen -- vor allem dann, wenn ein Buch wie Der blaue Löwe von Mary Gentle alle Erwartungen übertrifft, mochten sie noch so hoch gewesen sein. Mit diesem ersten Band der Legende von Ash schreibt sich Mary Gentle endgültig in die erste Riege der internationalen Fantasy -- und dort tummeln sich außer Robin Hobb und George R.R. Martin und vielleicht noch J.V. Jones und Jacqueline Carey nur … mehrganz wenige Autoren. Der blaue Löwe spielt im späten 15. Jahrhundert und erzählt die Lebensgeschichte der jungen Söldnerführerin Ash. Die Menschen jener Zeit erinnern sich noch gut an die unglückliche Jeanne d'Arc, die Jungfrau von Orleans, doch Ash hat nicht vor, für Christentum und Glauben in den Krieg zu ziehen. Sie möchte vor allem ihre bewaffneten Männer und Frauen samt dem zahlreichen Tross satt und warm durch den Winter bekommen. Als sie jedoch versucht, Friedrich III. durch einen Trick dazu zu bewegen, ihr einen erwiesenen Dienst statt mit flüchtigem Gold mit Ländereien zu vergelten, schlägt ihr der Kaiser im Gegenzug vor, sie solle den jungen Ritter Fernando del Guiz ehelichen -- und diesen Wink mit dem Zaunpfahl kann auch Ash nicht ignorieren. Zu allem Übel sieht sie sich alsbald gezwungen, mit ihrem schnöseligen Gatten gen Süden zu ziehen. Dort laufen sie in den Hinterhalt eines riesigen Heeres, das aus Afrika gekommen ist, um das europäische Festland zu erobern. Ash ist nicht nur beeindruckt von den mächtigen Golems, die den Feind begleiten, sie fürchtet sich noch aus einem ganz anderen Grund: Die afrikanische Heerführerin ist eine Frau, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint. Die Legende von Ash ist ein äußerst realistischer Großroman, der dem Mittelalter nur wenige fantastische Elemente hinzufügt, dafür jedoch unser Bild jener Zeit grundlegend in Frage stellt. Mary Gentle schenkt uns starke Figuren, blutige Schlachten, hinterhältige Intrigen und einige überraschende Wendungen, die auch die erfahrensten Fantasyleser nicht voraussehen werden. Ein unvergleichliches Leseabenteuer, nicht zuletzt dank der sorgfältigen deutschen Übersetzung -- und der zweite Band ist nicht weit! --Hannes Riffel weniger