Die Mandel erzählt eine Geschichte voller Liebe und Leidenschaft, Wut und Befreiung -- lesen Sie einen Textauszug (PDF-Download). Wenn sich Autoren hinter Pseudonymen verbergen, steigert das in der Regel die Neugier. Das war aber nicht der einzige Grund, warum es Die Mandel in Frankreich auf die Bestsellerlisten schaffte. Die Mixtur aus arabischer Exotik, Sex und Befreiung von islamischer Frauenunterdrückung ist verlockend und erregt öffentliche Aufmerksamkeit. Die … mehr20-jährige Badra flieht aus einem marokkanischen Dorf und einer arrangierten Ehe mit einem viel älteren Mann nach Tanger und beginnt dort ein neues Leben. Unterschlupf gewährt ihr Tante Selma, die aber bald mit ansehen muss, wie sich die schöne junge Frau in eine unzüchtige Affäre mit einem reichen Arzt und Bonvivant stürzt. Schonungs- und schamlos nennt der Verlag diesen autobiografischen Roman über die erotische Befreiung einer muslimischen Frau. Französische Kritiker nahmen sogar beim Wort schockierend Zuflucht. Tatsächlich handelt es sich aber eher um reichlich harmlose Kost, es dauert auch fast bis zur Hälfte des Buches bis etwas erotisch Relevantes passiert. Zudem ist die Emanzipation der Hauptfigur nur eine begrenzte: Den verhassten Ehemann tauscht sie im Endeffekt ein gegen emotionale und finanzielle Abhängigkeit von ihrem Liebhaber. Auch hinsichtlich der Authentizität des Stoffes regen sich bei der Lektüre Zweifel. Laut Verlag ist die Autorin Anfang bis Mitte vierzig . Die Badra im Buch heiratet aber 1962 mit 17 Jahren. Demnach müsste die reale Badra schon 60 Jahre alt sein. Und für den Bericht einer Frau, die sich ihre Lebensgeschichte von der Seele schreibt, ist der Text eigentlich zu professionell gemacht. Womit wir andererseits schließlich bei den Vorzügen des Buches wären. Denn literarisch weiß der Text durchaus zu gefallen. Vor allem in den eingestreuten Rückblenden wird Badras Kindheit und Jugend in einem traditionellen Berberdorf anschaulich und lebensprall erzählt. Und auch wenn die erotischen Passagen für Nicht-Muslime von Gewagtheit weit entfernt sind, ist die ungewöhnliche poetisch-blumige Sprache doch sehr reizvoll. Wer immer also Die Mandel verfasst hat, er oder sie beherrscht das Handwerk. --Christian Stahl weniger