Wenn es nach dem Willen seiner Mutter Karoline Streicher gegangen wäre, dann hätte es ihren Sohn wohl nicht gegeben. Irgendwie, so mutmaßt er, hat sie den rechten Zeitpunkt zur Abtreibung einfach nur verpasst. Karoline Streicher war "die Schönste der Frauen, die Leuchtende, Rätselhafte, die Bestie in Menschengestalt", heißt es in Susanne Ayoubs Romandebüt Engelsgift. So scheint es jedem einsichtig, dass sie es war, die ihren Ehemann, ihre neugeborene Tochter, die Tante … mehrund die Untermieterin ermordet hat. 1938 wird Karoline Streicher in Wien hingerichtet. Als die Autorin Marie Horvath den Fall 60 Jahre später für einen Film wieder aufrollen will, versucht ausgerechnet der Sohn, inzwischen ein alter, faszinierender Mann, seine Mutter vom Vorwurf des Mordes freizusprechen. Horvath beginnt seinen Erzählungen immer mehr Glauben zu schenken -- und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Offenbar ist Ayoubs Verlag Hoffmann & Campe vom Erfolg des Romans Engelsgift, der zeitgleich auch als Hörbuch erscheint, mehr als überzeugt. Immerhin 50.000 Exemplare beträgt die Startauflage. Aber eigentlich kann man sich da auch ziemlich sicher sein. Das liegt nicht nur an mörderischen Zutaten wie Eifersucht, Liebe, Hass und emotionale Kälte, aus denen Ayoub ihr Engelsgift raffiniert zusammengebraut hat und die ein breites Publikum zum Kauf des Buches animieren könnten. Es liegt vor allem auch daran, dass Ayoub tatsächlich richtig gut erzählen kann. Denn die Art, wie sie retrospektiv das Bild einer Frau entwirft, in deren Person sich Grausamkeit und Schönheit paaren, um daraus die Geschichte eines perfekten Mords zu entwickeln, das ist schon meisterlich. "Genau der richtige Stoff zur richtigen Zeit", heißt es über Horvaths geplantes Drehbuch zum Verbrechen im Roman. Das kann man von Engelsgift getrost ebenfalls behaupten. --Isa Gerck weniger