Ein bisschen leben wir Deutschen schon hinter dem Mond. Wie anders ist es zu erklären, dass dieser Klassiker der Fantastik erst jetzt seinen Weg zwischen deutsche Buchdeckel findet? Der Fantasy-Roman von Hope Mirless erschien bereits 1926 und wurde im Angelsächsischen in den 1970er-Jahren wiederentdeckt. Er erzählt von Nathan Hahnenkamm, dem braven Bürgermeister von Lud-in-den-Nebeln im kleinen Land Dorimare, das begrenzt wird von Bergen, dem Meer -- und dem Feenland. … mehrDoch halt, darüber spricht man nicht in Dorimare! "Feenland", das ist ein verbotenes Wort unter den behäbigen Einwohnern. Welch ein Skandal also, dass ausgerechnet der Sohn des Bürgermeisters dieses Wort bei einer feierlichen Einladung laut ausspricht! Welch eine Schande für den Bürgermeister, der schon sein ganzes Leben so tapfer alle melancholischen Anwandlungen aus dem eigenen Gemüt verbannt! Nun kann er nicht länger die Augen verschließen: Der eigene Sohn hat von verbotenen Feenfrüchten gekostet. Die werden auf geheimnisvollen Wegen nach Dorimare geschmuggelt, und der Wahnsinn greift um sich. Fantasy einmal ganz anders: Noch lange vor dem übermächtigen Einfluss Tolkiens geschrieben, wirkt der Roman wie ein ironisches Sittengemälde und ist zugleich ein Krimi, eine Geistergeschichte und ein betörender Lockruf. Flucht ins Feenland legt sich beim Lesen wie ein Zauber auf den Geist -- auf jeder Seite blitzt ein Feenzauber auf und hinterlässt eine Botschaft, die auch nach dem letzten Kapitel noch lange weiter wirkt. Als eine "Aussöhnung zwischen dem Alltäglichen und dem Wunderbaren", beschreibt Neil Gaiman das Buch in seinem Vorwort. Und ebenso zutreffend schreibt Michael Swanwick in seinem Nachwort von "sittenlosen Impulsen, überwältigenden Sehnsüchten, den Verzückungen der Liebe, der Kunst und der Philosophie". "Ihr verfügt über Phantasie? So ist es für Euch stets ein Abenteuer, einen Laubengang entlangzuspazieren. Ihr betretet ihn kühnen Schritts, doch bald wünscht Ihr Euch, Ihr wäret draußen geblieben -- es ist keine Luft, die Ihr hier atmet, es ist Schweigen, das fast greifbare Schweigen der Bäume. Und die kleine runde Öffnung in der Ferne soll der einzige Ausgang sein? Ach, es wird Euch nie gelingen, Euch dort hindurchzuzwängen! Ihr müßt umkehren... zu spät!" Besser spät als nie. Endlich ist Flucht ins Feenland auch deutschen Lesern zugänglich -- in gelungener Ausstattung und hervorragender Übersetzung. --Birgit Will weniger