Meine ersten 79 Jahre nennt Isaac Stern kokett seine Biografie, die anlässlich seines achtzigsten Geburtstages am 21. Juli 2000 erschienen ist. Stern wirft einen Blick zurück auf seine schier unfassbare Karriere, die eher unspektakulär begann. Er war kein Wunderkind im eigentlichen Sinne und auch die Geige schien dem kleinen Jungen, der 1921 als einjähriges Kind mit seinen Eltern aus der Ukraine in die USA auswanderte, zunächst nicht sonderlich zu interessieren. Doch … mehrdann erweckte die Geige eines Mitschülers seine Neugierde. Als Zehnjährigen schickte man ihn auf das Konservatorium, als Halbwüchsiger gab er bereits erste Konzerte. "Geige spielen kann man nur, wie man liebt -- entweder ganz oder gar nicht", sagte er einst. Dies könnte man auch als sein Lebensmotto sehen. Minuziös trägt Stern jedes Detail seiner Laufbahn zusammen; sein Auftritt in Russland während des Kalten Krieges, sein Einsatz für Israel, sein Engagement für die Carnegie Hall und die berühmte Reise nach China 1979. Anschaulich werden auch die Begegnungen mit den Großen und Mächtigen seiner Zeit wie Furtwängler, Casals, aber auch Nehru und sämtliche amerikanische Präsidenten beschrieben. Sterns unermüdlicher Einsatz für die Völkerverständigung brachte ihm viel Lob ein; sein untrüglicher Instinkt für Publicity verhalf ihm den zeitgemäßen Nachdruck für seine Anliegen zu finden: Bei Anbruch des Golfkrieges etwa ließ er sich mit Gasmaske und Violine ablichten. Nur Deutschland und Österreich gegenüber blieb er unversöhnlich; ein Verhalten, das ich (als Jüdin) für nicht angemessen halte -- schon gar nicht, wenn man einen Sohn in gut dotierter Dirigenten-Position in Deutschland hat. Zeit seines Lebens hatte Stern sämtliche Einladungen nach Deutschland ausgeschlagen. Erst 1999 ließ er sich erweichen. Er kam nach Köln, um einen Meisterkurs zu leiten, und belegt diesen Aufenthalt mit einem mir gedankenlos erscheinenden Satz: "Alles in allem blieb in mir die bohrende Besorgnis zurück, dass die Deutschen wieder in ihre gewohnheitsmäßige gedankenlose Routine verfallen könnten". Eine seltsame Gelassenheit legt sich über all die Fakten und Beschreibungen in Sterns Biografie, sein Leben scheint nur eines strahlender Erfolge gewesen zu sein -- ohne quälende Kämpfe oder Konflikte. Vielleicht hat Stern diese auch nur nie gesehen oder empfunden. Insofern ist dieses Buch nicht nur ein Zeitdokument; es entwirft, ohne dies explizit zu beschreiben, auch ein Charakterbild dieses Künstlers, dem die Welt sich scheinbar nur von ihrer lichten Seite präsentiert. --Teresa Pieschacón Raphael weniger