Der Pulverdampf hat sich noch nicht verzogen -- die USA bombardieren immer noch die letzten Höhlenfestungen der geschlagenen Taliban- und al-Q'aida-Kämpfer --, da legen Michael Pohly und Khalid Durán nach ihrem kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erschienenen Osama bin Laden und der internationale Terrorismus auch schon einen Ausblick auf die Zukunft Afghanistans nach der Taliban-Herrschaft vor. Nun kann man dem Autoren-Duo, das sich diesmal mit Beate … mehrGleißer eine fleißige Mitarbeiterin mit an den Schreibtisch geholt hat, nicht vorwerfen, es würde die Probleme des Landes nicht kennen. Aber haben sie in der kurzen Zeit bereits eine tragfähige Vorstellung davon entwickeln können, wie seine Zukunft angesichts der traditionellen Rivalitäten der verschiedenen Volksgruppen jetzt nach dem Ende der Taliban konkret gestaltet werden kann? Nein. Das haben sie nicht wirklich. Tatsächlich umfasst das explizit der Zukunft gewidmete Kapitel auch gerade einmal 15 Seiten. Auf diesen jedoch werden die sich jetzt abzeichnenden Optionen für die politische Zukunft Afghanistans prägnant und zutreffend dargestellt -- insbesondere die Möglichkeit einer herausgehobenen Rolle Pakistans, das selbst ein ureigenes Interesse an einer stabilen staatlichen Ordnung in dem Nachbar- und Bruderstaat hat. Und vergleichsweise ausführlich behandelt wird auch die Frage, wie berechtigt oder unberechtigt die Hoffnungen sind, die mancherorts in die große Ratsversammlung "Loya jirga" gesetzt werden. Die Autoren kommen hier nach einer Übersicht über die historischen Vorbilder dieses Rates zu dem ernüchternden Fazit, dass dieser Große Rat ohne einen zumindest rudimentär ausgebildeten Staat als Instrument für die Zukunft wohl nur wenig taugt, "zumal die Akteure, die heute von einer Loya jirga sprechen, unterschiedliche Vorstellungen davon haben. Es geht schon mit der Frage los, wer berechtigt ist, sie einzuberufen, und wer daran teilnehmen darf und soll". Mehr muss man dazu im Moment wohl nicht sagen. Aber, und das ist viel wichtiger: Nach den Taliban ist eine solide historische Bestandaufnahme der Ausgangsbedingungen, von denen jedes Konzept für die Gestaltung der politischen Zukunft Afghanistans auszugehen hat. Wie schwierig diese Ausgangsbedingungen auch nach dem Sturz und der Vertreibung des Taliban-Regimes sind, davon zeichnet das vorliegende Buch ein deutliches Bild. --Andreas Vierecke weniger