„Kehrrichtsammler der Tatsachenwelt“ nannte Karl Kraus Reporter abfällig. Auch heute ist das soziale Prestige von Journalisten angeschlagen. Medien gelten in erster Linie als industrialisierte Dienstleistungsbetriebe, selbst wenn Qualitätsjournalismus eine Kulturleistung von Rang darstellt. Journalismus ist wie Literatur, Musik und Kunst eine schöpferische Tätigkeit, für die es auch eine „Poetik“ geben kann „ die Lehre von der Verfertigung des Werkes. Das Institut für … mehrPublizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien hat deshalb eine Poetik-Dozentur, benannt nach dem grossen Wiener Journalisten Theodor Herzl , eingerichtet. Als erstes Ergebnis dieser praktischen Theorie des Journalismus erscheint nun dieses Buch. Kai Hermann - Autor des Bestsellers „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und Weltwoche-Reporterin Margrit Sprecher nähern sich sowohl theoretisch als auch praktisch dem Wesen der Reportage. Reportagen als „Sensationen des Alltags“ stehen für Kai Hermann am Anfang allen Journalismus. Und am Anfang der Reportage steht die Neugier. Dazu kommen eine gute Portion Voyeurismus, Bescheidenheit und Beschränkung, Beschränkung in der Sprache. Hermann veranschaulicht diese Maximen mit seiner Reportage über ein Berliner Punk-Pärchen, in der es um Eifersucht, Gewalt, Drogen, Knast - und Liebe geht. Für Margrit Sprecher gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen einer Reportage „Fortune“ - das Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und das Bewusstsein, dass sich der (lesende) Mensch vor allem für den Menschen interessiert. Ihre Reportagen über das Weltwirtschaftsforum in Davos, das aus dem mondänen Schweizer Tourismusort ein Dritte-Welt-Dorf machte, über Minenräumer in ehemaligen jugoslawischen Kriegsgebieten und über den Hungertod eines Babys in der Schweiz sind anschauliche Beispiele ihrer Theorie der sozialkritischen Reportage. weniger