Als das ZDF 1991 die erste Staffel der Simpsons sendete, dachte man in Mainz, hier hätte man es mit einer Art neuem Alf zu tun. Keiner ahnte, dass die Familien-Soap im Zeichentrickformat den "Gute-Laune-Alien Alf" nicht nur in der Zuschauergunst schnell hinter sich lassen würde. Die White-Trash-Familie aus Springfield kann als die beste TV-Familie der letzten Jahre angesehen werden. Während Präsident Bush immer noch die Waltons als die ideale Fernsehfamilie pries und … mehrman sich hier zu Lande an den Wicherts und Beimerts orientieren musste, demontierten die Simpsons die Vorstellungen der intakten Kernfamilie mit satirischem Witz. Für Pop-Diskurs-Papst Diederichsen sind die Simpsons für die 90er-Jahre das, was die Beatles für die Sechziger waren. Keine andere Soap hat es geschafft, zur Primetime mit den Regeln und Mythen aus Pop und Politik so subversiv zu spielen wie die Simpsons. Egal, ob sich die Folgen um Homer als verkappten hedonistischen Alt-68er drehen, der mit der Postmoderne konfrontiert wird, oder ob es um den Kinder-Clown Crusty und den Trash-Star Troy McClure geht -- das Ensemble der Cartoon-Serie zeigt Amerika realistischer als die realen Fiction Soaps. In bester Cultural-Studies-Manier durchleuchtet dieses Buch die medialen Mythen, mit denen die Serie operiert. Keine Sorge, es handelt sich dabei nicht um eine nervtötende Diskursschleuder. Dafür ist die Begeisterung für die Sache den Autoren zu deutlich anzumerken. Endlich ein Buch, das den gewaltigen Referenzrahmen der Serie analysiert, ohne dabei das Lesevergnügen eines Fanbuchs aufs Spiel zu setzen! Sowohl der treffend kommentierte Episoden-Guide als auch die Spurensuche bei den Cartoon-Vorgängern und den Filmzitaten zeigen, dass hier auf Augenhöhe mit der Serie geschrieben wurde. Absurderweise kam der Verlag ausgerechnet mit diesen subversiven Simpsons beziehungsweise mit den Anwälten von 20th Century Fox ins Gehege. Das vorliegende Buch musste in der zweiten Auflage einiges Bildmaterial formal-juristisch frisieren, um das Buch überhaupt weiter erscheinen zu lassen. Denn bei der Vermarktung und dem Publizieren über die subversive Serie fängt der Ärger an und hört der Spaß auf. Dieser Umstand macht die Lektüre des Buches nur noch spannender, beschreibt es doch ein Stück Mediengeschichte im Zeitalter postmoderner Verwertungslogik selbst auf ironisch-pfiffige weise.-- Marcus Welsch weniger