Endlich wieder und nach politischen Essays ist Adolf Muschg, Seigneur unter den helvetischen Autoren, zum Roman zurückgekehrt. Sutters Glück heißt er kurz und lapidar fast. Sein Inhalt: Ein pensionierter Gerichtsreporter verliert in kurzer Zeit seine an Krebs erkrankte Frau, die ihrem Leiden im Engadin selber das Ende setzt. Dorthin kehrt auch Sutter, der eigentlich Emil Gygax heißt, nach einem Jahr zurück. Er will die Asche seiner Frau Ruth, wie sie es gewünscht hatte, … mehrüber dem Silsersee ins Wasser streuen. Die Bootsfahrt an einem Herbstmorgen wird für Sutter die letzte Fahrt seines Lebens. Die Steine, die seine verstorbene Frau Ruth gesammelt hatte, dienen ihm als Beschwernis für den Rucksack, mit dem er in die Tiefe gleitet. Und doch noch gerettet wird -- aber zu spät für ihn. Muschg ist ein seltsam eindringlicher Roman gelungen, der voller Anspielungen und Doppelbödigkeiten durch den Kopf eines 66-Jährigen führt. Sein Gedankenreichtum, mit literarischen Zitaten möbliert, erweist sich als komplex gewordener, dichter Lebensraum. Darin besetzt die Suche nach dem Glück, dem privaten und dem öffentlichen, den größten Platz. Doch so einfach will es uns der Autor auch wieder nicht machen und inszeniert ein Attentat auf Gygax-Sutter. Dieser meint in früheren Fällen, bei denen er als Gerichtsreporter in die Abgründe menschlicher Seelen geblickt hat, den Schlüssel für das Motiv zu finden. Es gibt keines, so viel sei vorweggenommen, und es wird nicht geklärt, wer Sutter nach dem Leben trachten wollte. Dahinter steckt die kalkulierte Absicht des Autors. Was wie ein Kriminalroman beginnt, endet in der privaten Katastrophe des Selbstmords, den aber Muschg nie und nimmer als moralisch verwerfliche Form darstellt: Wie unter einem Zwang muss die Handlung, müssen Sutters Reflexionen den Protagonisten ans Ende des eigenen Lebens führen, das so oft fremdbestimmt worden ist und nur in der Ehe mit Ruth eine freiere Form gefunden hatte. Denn ohne sie ist Sutter zu einer Lebensuntüchtigkeit verdammt. Muss die Geschichte so tragisch enden? Die innere Logik bestimmt den Verlauf der Handlung, und Sutter ist über seinen Beruf zum Menschenfeind geworden. Adolf Muschg ist ein guter Roman gelungen. Seine Sprache ist vom Feinsten, das macht ihm schnell keiner nach. Geschliffene Formulierungen helfen über Passagen hinweg, die Muschgs Sache noch nie gewesen war: Wenn der Eros ins Spiel kommt, ist er verlegen und holperig. Aber bitte, das sind im Vergleich zur Virtuosität der Sprache nichts mehr als Petitessen. --Carlo Bernasconi weniger