Am 01. Januar 2003 dirigierte Nikolaus Harnoncourt zum zweiten Mal das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Sein Debüt im Jahre 2001 war ein großer Erfolg gewesen, der sich besonders in den überragenden Verkaufszahlen des Live-Mitschnitts niedergeschlagen hatte. Auch dieses Mal werden die Wiener Philharmoniker im Vorfeld in mancher Hinsicht wieder umgedacht haben müssen, denn der Originalklang-Pionier Harnoncourt gibt sich niemals mit den althergebrachten … mehrAufführungskonventionen zufrieden: Schon anlässlich seines Einstands vor zwei Jahren hatte er viele der Walzer- und Polka-Partituren von nicht unerheblichen Zutaten aus weniger quellenkritischen Zeiten befreit. Dass die Wiener Philharmoniker Harnoncourt ein weiteres Mal verpflichtet haben, kann wohl als Zeichen für Kompromissbereitschaft hinsichtlich der historischen Aufführungspraxis gewertet werden: Auch wenn die Musiker nun nicht etwa auf Originalinstrumenten der Strauß-Zeit spielen, schätzen sie doch Harnoncourts etwas anderen Arbeitsstil. Das Ergebnis konnte sich, wie am 01. Januar live im Fernsehen zu erleben war, denn auch hören lassen: Der Dirigent entlockt den Wienern einen warmen, homogenen Ensembleklang, der niemals auf vordergründige Brillanz abzielt. Mit weit aufgerissenen Augen, die jeden einzelnen Instrumentalisten in den Bann schlagen müssen, und unmittelbar sprechenden Gesten setzt er sparsame, aber dafür prägnante Akzente. Einen Dirigentenstab nimmt er dazu nicht in die Hand, sondern vertraut auf die präzise Aussagekraft seiner bloßen Hände. Weiter könnte man von den Stabführungskünsten eines Ästheten wie Lorin Maazel kaum entfernt sein. Bezüglich des Programms ist Harnoncourt deutlich um Abwechslung bemüht: Carl Maria von Webers "Aufforderung zum Tanz" in der hervorragenden Instrumentierung von Berlioz etwa oder Johannes Brahms' "Ungarische Tänze Nr. 5 und 6" bildeten willkommene Kontraste zum herkömmlichen Walzer- und Polka-Programm der Strauß-Dynastie, die natürlich nach wie vor im Mittelpunkt steht. Höhepunkte waren in diesem Jahr u. a. der wundervoll melancholische Walzer "Delirium" von Josef Strauß, komponiert zum etwas lustlosen Karnevalsbeginn nach Österreichs Niederlage bei Königgrätz im Jahre 1866, oder der "Chineser-Galopp" von Johann Strauß père, der kurioserweise eher nach türkischem Marsch klingt. Außerdem waren die Herren -- und wohl auch die zwei Damen, die das Erscheinungsbild der Wiener Philharmoniker mittlerweile zieren -- bei der "Bauernpolka" von Johann Strauss fils zusätzlich sängerisch gefordert. Kurzum: Das Publikum im Goldenen Saal und die Fernsehzuschauer waren Zeugen eines gelungenen Neujahrskonzerts, und die CD wird zweifellos eine ähnliche Sprache sprechen. --Michael Wersin weniger
CD 1
01 - Kaiser Franz Joseph I. Rettungs-Jubel-Marsch
02 - Schatz-Walzer Op. 418
03 - Niko-Polka Op. 228
04 - Scherz-Polka Op. 72… mehr
05 - Delirien - Walzer Op. 212
06 - Pêle-Mêle - Polka Schnell Op. 161
07 - Aufforderung Zum Tanz Op. 65
08 - Secunden - Polka Op. 258
09 - Helenen-Polka Op. 203
CD 2
01 - Kaiser-Walzer Op. 437
02 - Bauern-Polka - Polka Francaise Op. 276
03 - Lob Der Frauen (Polka Mazur Op. 315)
04 - Chineser-Galopp Op. 20
05 - Ungarische Tänze
06 - Nr. 6 D-Dur. Vivace (Fassung Für Orchester)
07 - Krönungslieder - Walzer Op. 184
08 - Leichtes Blut
09 - Furioso - Polka
10 - New Year Address
11 - An Der Schönen Blauen Donau - Walzer Op. 314
12 - Radetzky-Marsch Op. 228 weniger