Sigur Rós sind ein Phänomen. In von Kriegen, Krankheiten, Globalisierungswirrnissen, Umweltzerstörung, amerikanischem Herrenreitertum und Zukunftsängsten geprägten Zeiten schaffen es die Isländer mit ihrer geheimnisvollen Musik, verwirrte Emotionen einer diffusen Fanbase zu bündeln. Sie sind wie ein guter Freund, der einen in den Arm nimmt und ohne ein gesprochenes Wort weiß, wie es einem geht. Dieser etwas anderen Band gelingt es mit eigentlich abseitigen Klängen … mehrZehntausende zu berühren, ihre Konzerte sind fast wie Messen. Sigur Rós singen zwar Songtexte, doch die sind in einer Fantasiesprache verfasst, und trotzdem scheinen ihre Fans sie zu verstehen, zu fühlen. Zwei Tracks enthält die Mini-CD plus DVD Untitled nur. "Untitled 1" ist der Opener von ihrem dritten Album ( ) und somit eine bekannte Auskoppelung. Das zwölfminütige "Untitled 2" (unterteilt in "a", "b" und "c") dagegen ist eine Neukomposition, entstanden nach den Aufnahmen zu ( ). Angeblich ist diese wunderschöne, sehr minimale und elegant schwebende Nummer ein Remix von "Untitled 1", allerdings beschränkt sich der Widererkennungswert auf Fragmente. Einfach umwerfend gut sind die drei hoch ästhetisch gefilmten Videoproduktionen auf der DVD. "Svefn-G-Englar" ist berühmt geworden durch die Down-Syndrom-(Mongoloide)-Theatergruppe Perlan, deren in weiße Kleider gehüllten Akteure wie Elfen vor imposanter Kulisse tanzen. Der Clip erinnert an die letzten, schlicht als "Untitled" betitelten, sehr kontrovers diskutieren Fotoarbeiten von Diane Arbus, die sich 1971 das Leben nahm. Auch das Homosexualität thematisierende Video zu "Vidrar Vel Til Loftarasa", ebenfalls ein Stück von Ágaetis Byrjun, besticht durch seine Bilder. Vor regenverhangenem Himmel spielt ein Junge mit Puppen, was den Vater wutentbrannt dazu bringt, den Sohn zum Männersport Fußball zu schleppen. Dort schießt er ein Tor und die obligatorische Jubelszene mit einem Knäuel bildenden Jungkicker endet in einer innigen, intimen Kussszene. Neu ist das bildgewaltige, zeitlupenhafte Video zu "Untitled 1". Der Schnee ist schwarz, der Schneemann blickt wie Grisgram, der verstrahlte Himmel leuchtet in einem gewaltigen Rot und Kinder spielen mit Gasmasken. Die Zukunft ist die Apokalypse und sie ist schön-schaurig anzuschauen. Alle drei Videoclips sind wie Projektionen des Seelenkosmos und der Gefühlswelt von Sigur Rós, natürlich spiegeln sie auch stereotype Emotionen und Ängste wider, arbeiten mit plakativen Bildern wie einer toten, weißen Taube. Und trotzdem zeugen sie von Tiefe, Nachdenklichkeit und Intelligenz. Sigur Rós werden weiter von sich reden machen und wenn diese Art von Musik Teil des Pop-Diskurses ist, dann kann es dem Pop nur gut tun. --Sven Niechziol weniger
1 - Sigur 1 (untitled)
2 - Sigur 9 A (untitled)
3 - Sigur 9 B (untitled)
4 - Sigur 9 C (untitled)
1 - Svefn G Englar (Video)… mehr
2 - Vidrar (Video)
3 - Untitled (Video) weniger