Der namenlose Held in J. M. Coetzees Roman Die jungen Jahre ist unzufrieden: ein Student der Mathematik, der im Südafrika der Apartheit sein gesamtes, durch Gelegenheitsjobs erspartes Geld für eine Fahrkarte nach Großbritannien zusammenspart. In der Mathematik -- und in England -- will er zunächst jenes "Reich der Reinheit" finden, das ihm, als desillusioniertem IBM-Programmierer in London, später einzig die Dichtung verheißt. Die jungen Jahre ist ein Porträt des … mehrDichters als junger Mann: Derart deutlich hat Coetzee seiner Prosa autobiografische Züge verliehen, dass man gar nicht umhin kann, dies zu bemerken. Darüber hinaus aber handelt dieses glänzend geschriebene Buch vom hartnäckigen Versuch seines Protagonisten, sich in der Fremde trotz aller Widrigkeiten selbst zu finden, das nicht nur durch Liebesleid geprägte Unglück in fruchtbares Schreiben, in ein Bild des Glücks zu verwandeln. Am Ende ist es so wie mit jener Erzählung, die der Held des Romans einmal selbst verfasst: "Alles Wichtige spielt sich ab im Kopf des Erzählers, eines namenlosen Mannes, der ihm allzu sehr gleicht, der ein namenloses Mädchen mit an einen einsamen Strand nimmt und ihr beim Schwimmen zuschaut. Prosa ist wie eine glatte, ruhige Wasserfläche, auf der man in Ruhe kreuzen und Linien ziehen kann". Dieses "Kreuzen" durch den ruhigen Fluss eines Londoner Jugendlebens an der Schwelle zum schriftstellerischen Ruhm ist Coetzee hier wunderbar gelungen. Coetzees Die jungen Jahre wird mit einem Motto Goethes aus dem Westöstlichen Divan eröffnet: "Wer den Dichter will verstehen/Muss in Dichters Lande gehen". Genau dorthin entführt uns der Roman: nicht nach Südafrika freilich, wo viele andere Bücher des Autors spielen, sondern letztlich ins weite Reich der Dichtung, in die eigene Schreibwerkstatt selbst. Allein schon aufgrund der intimen Reflexionen über Bücher und Romane, über persönliches Unglück und die Befriedigung des Dichtens lohnt die Lektüre von Die jungen Jahre allemal. --Thomas Köster weniger