Nach dem 11. September 2001 sollte "nichts mehr so sein, wie es war". So jedenfalls wurde uns in den Tagen und Wochen nach den Terroranschlägen von New York und Washington unisono geweissagt. Von einer "Zeitenwende" war bald überall die Rede. Und die USA machten sich daran, eine "neue Weltordnung" zu konstituieren. Doch an der arbeitete man im Weißen Haus schon längst. Denn nicht erst seit dem 11.09. war man in Washington entschlossen, die Welt nach eigenen … mehrVorstellungen neu zu ordnen. Die Anschläge waren für die Regierung George W. Bush lediglich die Gelegenheit, ganz ungeniert mit offenem Visier in die Schlacht zu ziehen. So jedenfalls argumentiert der Politikwissenschaftler Harald Müller in seinem neuen Buch Die Weltordnung nach dem 11. September. Der Autor legt mit schlüssigen Argumenten dar, dass die USA aufgrund ihrer wirtschaftlichen, vor allem aber ihrer militärischen Stärke an wirklich kooperativen Außenbeziehungen kein sonderliches Interesse haben. Auf Zusammenarbeit mit wem auch immer sind sie derzeit nicht angewiesen. Ein ernst zu nehmender möglicher Widerpart ist nirgends auszumachen. Müller setzt deshalb seine Hoffnung, die US-Regierung möge ihre Quittung für den Bruch der überkommenen (welt-)politisch-kulturellen Umgangsformen doch noch erhalten, nicht auf irgendeinen weltpolitischen Akteur, sondern auf die Bürger und die kritische öffentliche Meinung in den USA selbst. Angesichts der Pressionen im Zuge der neuen Homeland-Securitiy-Politik ist diese Hoffnung -- auch wenn sie mancher für naiv halten mag -- begründet. In Hinblick auf die zunehmende Terror-Gefahr, die der Autor als Reaktion auf die amerikanische Politik diagnostiziert, bleibt sie jedenfalls, wenn überhaupt, ein schwacher Trost. Müller seinerseits kennzeichnet die Hoffnung der USA als "unglaublich naiv", nach dem Sturz Saddam Husseins den gesamten Nahen Osten befrieden und demokratisieren zu können. Schließlich stützten sich die USA gegenwärtig im Nahen Osten durchweg auf demokratisch nicht legitimierte Regierungen, gegen die es erhebliche Widerstände in der Bevölkerung gebe. In der Tat muss man sich deshalb fragen, was sich die USA in dieser Situation von einer Demokratisierung erwarten -- und auch, was sie darunter genau verstehen. Ein Buch, das sicherlich so schnell keinen amerikanischen Verlag findet, aber hoffentlich hier zu Lande viele Leser. --Andreas Vierecke weniger