Der erste von drei Romanen, die ich innerhalb von zwei Tagen mit Katze auf dem Schoß in der Wohnung einer Berliner Freundin gelesen habe: Simenon in einer hohen Dosis konsumiert führt unweigerlich dazu, das eigene Leben mit dem seiner Charaktere zu vergleichen; oder zumindest die Lebenswelten nebeneinander zu stellen. Seither weiß ich mal wieder, wo ich nicht hin will... Antoine und Julie führen eine Ehe als Zweckgemeinschaft, innerhalb der sie sich überraschend lieb … mehrgewonnen haben. Beide nicht mehr die Jüngsten, hält sie die Angst vor der Einsamkeit und die zur Gewohnheit gewordene Gegenwart des anderen beieinander. Doch ihre Vergangenheit, die nicht hätte unterschiedlicher sein können, führt immer wieder zu schmerzhaften Konfrontationen. Julie kommt aus vornehmem Bürgerhause, ist unerschütterlich in ihren Erwartungen und Vorurteilen. Antoine ist ein kleiner Zauberkünstler, dessen frühere Erfolge ihm auch heute noch viele kleine Engagements in den Vorstädten und im Umland sichern. Sein Trinkleidenschaft scheint nicht so sehr dem Alkohol geschuldet, als vielmehr der Sehnsucht nach den Kneipen, den Menschen, die er darin trifft, seinem ausgeprägten Gespür für das Milieu und der damit verbundenen Geborgenheit. Antoine hat dafür erwartungsgemäß wenig Veständnis, nimmt ihn jedoch stets wieder bei sich auf und verzeiht ihm. Am Ende wird selbst dieses traurige Idyll zerstört, auf dessen Funktionieren der Leser seine ganze Hoffnung gerichtet hatte. Auch mit der Frage nach der Moral-von-der-Geschicht wird er allein gelassen. Simenon bietet keine Lösungsversuche oder Erklärungsmuster. Er beobachtet. Und das genügt... --Hannes Riffel weniger