Ich war sechzehn. Ich hatte nichts ... Keine Freunde, keine Liebe und noch nichts erlebt. Blanche studiert an der Uni Brüssel, fühlt sich als Mauerblümchen, ist mit 16 noch Jungfrau und himmelt die umschwärmte Christa an, mit der sie gerne befreundet wäre. Als sich die Freundschaft tatsächlich ergibt, zeigt Christa plötzlich ein ganz anderes Gesicht. Es ist zu spät, stellt Blanche verzweifelt fest: Ich hatte verloren ... Es hatte mich nie gegeben. Das Buch erinnert … mehrstark an den damaligen, beachtlichen Erstlingserfolg von Anne- Sophie Brasme Dich schlafen sehen . Auch hier spielt die Freundschaft von zwei ungleichen Mädchen die zentrale Rolle, auch hier ist die Ich-Erzählerin die schwache, die, die unterworfen, beherrscht, dominiert wird. Dennoch hier anders, nicht im Tagebuchstil, sondern lebhafter, viele Dialoge, viel innerer Gedanken-Disput, rege Rede und Gegenrede, wenn Gut und Böse miteinander streiten. Die Seelenqualen einer 16-jährigen, mitten in der Pubertät, literarisch dargestellt in Form einer Protagonistin, die sehr überzeugt, in ihrem Leiden, Empfinden, ihrer Wut und Enttäuschung glaubhaft und sehr real erscheint. Christa, die zur Antichrista wird, das ist das Miststück , die Besatzerin , die mit dem Expansionsbedürfnis . Ihre Falschheit verschlug mir die Sprache. Die Freude über die gewonnene Traum-Freundin schlägt schnell um, als Blanche die perfiden Absichten der nach außen Perfekten und Schönen erkennt. Wer bis zur völligen Unterwerfung alles hinnimmt, sinnt eben irgendwann auf Rache: Ich werde dich zerschmettern wie einen Wurm ... Die Apokalypse war nahe! Es ist die ganz eigene und so erfolgreiche Art der Amélie Nothomb: ungemein unterhaltsam, dabei niveauvoll, zutiefst boshaft, aber hinreißend und reizvoll, ausgesprochen klug konstruiert und dabei den Anschein erweckend, als sei der Roman einfach wie nebenbei locker hingeschrieben. Die 140 Seiten lesen sich einfach viel zu flott weg. --Barbara Wegmann weniger