Johanna Hall, eine junge Schwedin, ist Fotografin -- ebenso wie ihr Großonkel Jakob, der ihr ein Leben lang väterlicher Freund und großes Vorbild gewesen war. Als Jakob genau einen Monat vor seinem 100. Geburtstag stirbt, erbt Johanna seine Göteborger Stadtwohnung, für sie ein fast heiliger Ort, ein Museum des Lebens des verehrten und geliebten Onkels. Johanna beginnt zu stöbern, denn in Jakobs Unterlagen erhofft sie sich Aufschluss über die Jahre 1905 bis 1911, in … mehrdenen der Onkel seine Lehrzeit als Fotograf in London absolviert hat und über die er sich -- ganz entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten -- stets beharrlich ausgeschwiegen hat. Sie entdeckt Fotos und Aufzeichnungen aus dieser Zeit, die auf ein ungeheuer grausames Geschehen hindeuten, jedoch zu fragmentarisch sind, um Sinn und Zusammenhang zu ergeben. Johanna glaubt herauszulesen, dass Jakobs Londoner Lehrherr im Auftrag der Theosophischen Gesellschaft versucht hat, bei deren Seancen die gerufenen Geister zu fotografieren -- und dass bei einer solchen Gelegenheit einmal plötzlich ein bleicher Junge im Raum stand, den Jakob wiederzuerkennen glaubte. Die junge Frau wird von der Geschichte nicht losgelassen und reist nach London, um die kryptischen Notizen und die merkwürdigen Fotos des Großonkels zu verstehen. Sie mietet sich dabei im ehemaligen Stammsitz der Theosophischen Gesellschaft ein, einem mysteriösen alten Haus mit einem sonderlichen Verwalter. Bald bekommt Johanna heraus, dass Ende der 30er-Jahre bei Tiefbauarbeiten am Themseufer zahlreiche Kinderleichen gefunden worden waren -- und die Puzzleteile fügen sich zu einem grausigen Bild. Eva-Marie Liffners Roman, der 2001 von der Schwedischen Krimi-Akademie als "Bestes Debüt" sowie als "Bester historischer Krimi" ausgezeichnet wurde, ist geschickt konstruiert: Die Geschichte springt hin und her zwischen der erzählerischen Gegenwart um Johanna und ihre Nachforschungen und den merkwürdigen Geschehnissen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Camera ist ein ungewöhnliches Werk irgendwo zwischen historischem Roman und Kriminalroman, das zunächst nur langsam in Fahrt kommt, dann aber immer mehr an Tempo gewinnt und den Leser schließlich nicht mehr loslässt. Fesselnde Unterhaltung auf hohem Niveau! --Christoph Nettersheim weniger