Das stille Mädchen ist weg. Das faszinierende Kind, das nach einem Unfall die Melodie erspüren kann, nach der Gott die Herrin einen jeglichen Menschen in seiner eigenen Tonart gestimmt hat, ist verschwunden. Niemand bedauert das mehr als Kaspar Krone, von der Steuerfahndung gejagter Ex-Clown und jetziger Musiktherapeut, der das Kind erst vor kurzem anvertraut worden war. Eine Atem beraubende Such- und Verfolgungsjagd beginnt. Aber, wie bei Peter Høeg im Allgemeinen … mehrimmer, ist es vor allem auch die Jagd nach dem in den Dingen und Menschen zu erhorchenden Sinn des Lebens, die die Figuren leitet. Nach mehrjährigem Schweigen hat der skandinavische Erfolgsschriftsteller Peter Høeg mit Das stille Mädchen endlich wieder einen umfangreichen Roman vorgelegt, der seine Fans begeistern wird -- eine (wenn auch zum Teil etwas verworrene) Krimiparabel zumal, deren rasante, fast schon ans Action-Kino erinnernden Passagen durch esoterische Teile sanft abgemildert werden. Ansonsten ist Das stille Mädchen irgendwo anzusiedeln zwischen Patrick Süskinds Das Parfüm, Robert Schneiders Schlafes Bruder und Graham Greenes Der dritte Mann -- letzteres vor allem deshalb, weil das High-Tech-Abwassersystem von Kopenhagen im Buch eine bedeutende Rolle spielt. Hinzu kommt noch eine Prise Paolo Coelho. Das muss man mögen. Wenn man es aber mag, dann wird man auf den 464 Seiten reich belohnt. Ich habe immer nach etwas gesucht, heißt es an einer Stelle von Høegs Buch. Auch wenn das stille Mädchen nicht dieses Etwas ist, so scheint sie doch zu wissen, wo man es finden kann. Auch bei Høeg wird man nicht fündig werden: Eine Antwort auf den Sinn des Daseins gibt der Autor nicht. Aber er gibt einem doch über weite Strecken des Romans das Gefühl, dass er weiß, was dieses Etwas ist. Und das wird wieder einmal mehr für seine Leser tröstlich sein. -- Stefan Kellerer, Literaturanzeiger.de weniger