Nicht Rot, nicht Gelb, nicht Grün -- Blau ist die Farbe der Sehnsucht. Die Romantiker  verzehrten sich einst nach der blauen Blume, und Urs Widmers Ich-Erzähler -- mit  unverkennbar autobiographischen Zügen -- träumt vom blauen Siphon, der einst auf einer  Anrichte im elterlichen Wohnzimmer stand, und zu dem der Dreikäsehoch fasziniert  emporschaute und "Regenbogenfarbenblitze in dem tiefen Blau" zu entdecken glaubte. Ein  Symbol längst verlorenen frühen Glücks. Aber … mehreiner der Vorzüge der Literatur ist, daß man  sich das Ersehnte herbeischreiben kann und Träume zumindest im Reich der Buchstaben  wahr werden.   Ein weiterer magischer Ort in dieser bezaubernden Erzählung ist das Kino, in der ersten  Reihe sitzend, wo man das Gefühl hat, "im Film zu ertrinken". So magisch, daß der Ich- Erzähler sich nach einem Kinobesuch plötzlich in die Zeit seiner Kindheit zurückversetzt  findet. Er fährt zum Haus seiner Eltern, muß aber feststellen, daß sein Kindheitsglück für  ihn nicht mehr greifbar ist. Denn natürlich erkennen ihn die Eltern nicht, sie sind vielmehr  verzweifelt, weil ihr kleiner Sohn nach einem Kinobesuch mit dem französischen  Kindermädchen spurlos verschwunden ist. Bei aller Zärtlichkeit, mit der sich der in die  eigene Vergangenheit verschlagene dieser verlorenen Welt zuwendet, bleibt er ein Fremder. weniger