Die ersten Seiten und Kapitel lesen sich schwerfällig. Die Geschichte von Christian Brönimann scheint stereotyp: ein Junge aus zerrütteten Familienverhältnissen, Vater aggressiv, Mutter Alkoholikerin, Christian landet im Heim. Er wird von einer Schweizer Familie adoptiert. Christian Brönimann lebt als Außenseiter, findet wenig Anschluss, absolviert eine Berufsausbildung im Hotelbereich. Erst nach 50 Seiten wird es spannend. Der Stil wird schneller, das etwas … mehrgetragene, schweizerisch gefärbte Deutsch entwickelt Dialoge, zeichnet Bilder und lässt den Leser hautnah am Schicksal von Brönimann teilhaben. Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine mit Hilfe des Schweizer Journalisten Daniel J. Schütz zusammengestellte Autobiografie handelt, sind Mut und Offenheit, mit der Christian seine Wandlung zu Nadia Brönimann beschreibt, bewundernswert. Nadia teilt viel mit ihren Lesern: Fotografien, Protokolle ihrer Operationen, intime sexuelle Momente ihrer Zeit als Stricher, große und kleine Lieben, Namen ihrer Freunde. Die Geschichte von Nadia Brönimann zeigt, wie wenig unsere Gesellschaft vom Befinden transsexueller Personen weiß. Christian Brönimann erreicht sein wahres Ich, schafft es, dass sein Körper und seine Seele eins werden, doch der Weg dahin ist erniedrigend, der Preis hoch. Nadia Brönimann erlebt auf Ihrem Weg zu sich selbst alles: vom Stricher am Mittelmeer über Drückerkolonne in Berlin, von Drag Queen zu Edel-Butler reicher Öl-Scheichs und österreichischer Millionenerbinnen. Etwas Voyeurismus ist den Texten anzumerken, doch all diese Szenen, Lebensentwürfe und die langen Reisen von Brönimann bieten keine Lösung für die Seele ohne wahren Körper. Es bleibt nur ein Weg: die Anpassung des körperlichen Geschlechts an das Geschlecht der Seele. --Martin Kilgus weniger