Haben Sie Taschentücher dabei? Es ist keine Kleinigkeit, mit dreiunddreißig Jahren an einem Gehirntumor zu leiden. Na ja. Mein ganzes Leben war so - Eva Hesse in ihrem letzten Interview, einer lakonischen Bestandsaufnahme, wenige Wochen vor ihrem Tod. Keine Spur mehr von der Angst, die sie ein Leben lang einschnürte. Michael Jürgs, hochgradig infiziert von dieser tragischen Figur, die, in Kunstkreisen zwar hochangesehen, einer breiten Öffentlichkeit weitgehend … mehrverborgen blieb, hat keine Ruhe gegeben und noch einmal mit dem feinsten Pinsel ein ruheloses Leben nachgezeichnet, das man so leicht nicht wieder vergessen wird. Abschied von den Eltern auf dem Bahnsteig Altona: An jenem Dezembertag 1938, mutmaßt Jürgs, begann für die Zweijährige der Horror lebenslanger Verlustängste. Einen Monat nach der Pogromnacht entkamen Eva und ihre drei Jahre ältere Schwester Helen per Kindertransport der einsetzenden Judenverfolgung. Den Haag. London, dann mit den Eltern nach New York. Evas Leben und ihre Kunst seien nicht zu begreifen ohne das frühkindliche Trauma des Naziterrors , behaupten Zeitzeugen. Ex-Ehemann und Bildhauer Tom Doyle vesteigt sich gar zu der These, nicht Andy Warhol oder Jasper Johns seien Evas künstlerische Wegbereiter gewesen, sondern - Adolf Hitler! Es entsteht das Bild einer schönen und charismatischen Manisch-Depressiven - die nur in ihrer Kunst zur Normalität fand. Der Freitod der hochdepressiven Mutter. Die verhasste Stiefmutter, verewigt in einer bedrohlichen Gestalt auf dem späteren Gemälde Untitled . Der eitle Künstlerehemann, der dem Whiskey und den Frauen zusprach und Eva mehr als Musenanhängsel denn eigenständige Malerin an seiner Seite betrachtete. Begleitet von Panikattacken, Drinks und Psychopharmaka, begann in der (durchaus machohaft auftretenden) Männerkünstlerwelt SoHos der künstlerische Kampf Eva Hesses. Fast entsprach es ihrem stets wachen Sinn für das Absurde dieser Welt, dass sie just in dem Moment abtreten musste, als diese sie zu entdecken begann. Was blieb, ist ein heute hochdotiertes Skulpturenwerk mit Botschaften wie aus einer fremden Welt. Einer Welt, die Michael Jürgs mit seinem akribisch recherchierten Lebensbild erfahrbar gemacht hat. Man darf dankbar sein! -- Ravi Unger weniger