Cem ist ein Escort. Ein Profi. Einer, den man für gewisse Stunden buchen kann, ein männlicher Sexarbeiter, der in keine Schublade passt und der sich offen in Internet und Buch anbietet, präsentiert und vorstellt. Zunächst einmal: Anerkennung und Kompliment für soviel Mut! 100 Euro nimmt der 30 Jährige pro Stunde, für Sex mit einem Mann. Einem richtigen Mann. Einem, der weiß, wo es langgeht, und der sich einfach nimmt, was er will. Seit er 17 ist, verdient Cem, der eine … mehrtürkische Mutter und einen deutschen Vater hat, sich mehr oder weniger durch Escort-Arbeit seinen Lebensunterhalt. Meine Spezialität ist Erniedrigung. Sex macht ihm Spaß, nicht Angst...Sex ist für mich keine Sünde oder etwas Unanständiges, sondern etwas verdammt Schönes. Über die Kolleginnen rede man viel und immer wieder, wenn eine Domenica aus Hamburg sterbe, sei das eine Meldung, die durch die Presse gehe, aber wer kenne schon die andere Seite? Die männlichen Sexarbeitern, irgendwo in einer Grauzone, die höchstens Schlagzeilen machten als gefährliche Virenschleudern, die die heilige deutsche Kleinfamilie bedrohen. Da ist Vieles, was vor lauter Ehrlichkeit und schamloser Offenheit erst einmal sprachlos macht, zum Nachdenken zwingt, nach persönlicher Offenheit und Bereitschaft verlangt, schließlich: das liest man - zugegeben - nicht jeden Tag. Aber: Es sind nicht die sehr freizügigen Berichte über jene Männer, die den Berliner Jungen mit ganz normaler Kindheit, Freundeskreis und Sozialleben buchen. All jene Spielarten der Sexualität, die hier einen breiten, vielleicht auch zu breiten Raum finden, sie können nicht mehr oder weniger reißerisch sein, wie jene Welt, die via Internet oder multimedialem Angebot ohnehin seit langem präsent ist. Aber die Schilderung seines Lebens, seines Werdeganges, seiner ganz eigenen privat-persönlichen Seite, die ist in der Tat lesenswert und bei aller anfänglicher Fremdheit, die man empfinden mag, da erzählt jemand absolut authentisch, tut dies zudem anschaulich und lebendig, und sieht im Schreiben sicher auch eine eigene Standortbestimmung. Oft könne er alles nicht mehr aushalten, gesteht er, verstehe nicht und kritisiert, dass unsereins in der Schmuddelecke oder Grauzone bleibe. Ich finde, dass die Kunden, die Freier, viel pathologischer drauf sind als ich in meinen dunkelsten Stunden nach dreitägigem Exzess ohne Schlaf. Aber von den Freiern sei nie die Rede. Geld, Drogen, Sex, ein hartes, ein oft schmutziges Geschäft, was Cem in seinen Schilderungen gut gelingt ist die überaus große Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit darzustellen, die zwischen Terminen in Hotels, oder bei Harzt IV-Empfängern zuhause herrscht. Das macht man Jahre, sieht es als Job wie jeden anderen, aber das Buch ist für Cem Yildiz auch eine Art Bilanz: Jetzt ist es an der Zeit, ein weiteres Kapitel zu beenden. Sie halten es in Händen. Hoffnung und Zuversicht, auch sie zählen zu den Grundgefühlen des Lebens. Eine fremdartige aber sympathische Begegnung. -- Barbara Wegmann weniger