Einer wartet auf sein Erschießungskommando und schreibt an seinen Jugendfreund, der ihn einmal vor dem Sprung in die Tiefe bewahrt hat. Den Tod freilich bringt ihm die damals sehnlichst Erwartete. Die unverhofft und verspätet eintreffende Liebesnacht mit der ehemaligen Französischlehrerin war stärker als der militärische Auftrag im Morgengrauen eines Krieges. Adolf Muschg bietet uns keine schönen Liebesgeschichten an. Liebe, so scheint es, ist immer verletzend und doch … mehrsind tiefere Gefühle nicht möglich. Da ist diese sprachlose Autofahrt -- "Krebs ist nicht gleich Krebs" lautet der trügerisch tröstliche Satz, der nichts Gutes verheißen kann. Da ist das Geständnis einer Frau: ein Miniroman mit wunderbaren Figuren, fremden Schauplätzen und tiefer Psychologie. In der nächsten Geschichte erzählt der Sohn einer Geigerin von ihrem Comeback und der verletzten, nicht nur kindlichen Eifersucht. Und schließlich das Kabinettstückchen aus der real existierenden Eidgenossenschaft, immer noch festgefroren im Kalten Krieg. Muschg wäre nicht der gewiefte Schreiber, hätte er nicht noch einen literarischen "Hidden Track" untergeschmuggelt: Der Titel ist Programm und Kürzestgeschichte in einem. "Gehen kann ich allein" erscheint im Inhaltsverzeichnis nicht mehr. Eine lohnende und inspirierende Lektüre, die nicht zuletzt auch dazu geeignet ist, die eigenen Gefühle mal wieder zur Kenntnis zu nehmen, dankbar. --Martin Walker weniger