Auch wenn uns mittlerweile täglich türkische Frauen und Kinder begegnen, die noch das traditionelle Kopftuch tragen; auch wenn Ehen zwischen Türken und Deutschen an der Tagesordnung sind -- haben Sie sich wirklich schon einmal Gedanken über die Geschichte dieser Menschen gemacht? Der Bericht von Fatma B., einer ostanatolischen Frau, die mit neun Jahren nach Deutschland kam, wirkt wie eine eiskalte Dusche, die schonungslos den tiefen Graben zwischen verschiedenen … mehrKulturen offenlegt. Vergewaltigung und Steinigung, Merkmale einer typischen Männergesellschaft, die den Wert der Frau ausschließlich nach ihren Fähigkeiten in Sachen Hausarbeit oder Kindererziehung messen, sind in dieser Lebensgeschichte der absolut bestimmende Faktor. Da wirkt das Stückchen Lebensfreude, das zwischen den Zeilen ab und an durchblitzt, fast fehl am Platz. Schon in ihrer Kindheit bekommt Fatma die Doppelmoral der Dorfbewohner und Verwandten deutlich zu spüren. Ihre Lage spitzt sich allerdings beim Aufeinandertreffen mit der offenen deutschen Gesellschaft dramatisch zu. Auf der Arbeit ist sie die aufgeklärte junge Frau, zu Hause wartet der Haustyrann in Form des Vaters. Die schlimmste Farce erwartet sie allerdings im heiratsfähigen Alter. Bei den traditionell arrangierten türkischen Ehen gelten scheinbar jegliche Gefühle als Störfaktor. Da werden Frauen zur Handelsware degradiert, die nur zu funktionieren haben. Es wäre allerdings voreilig, die Schuld einzig und allein dem Islam in die Schuhe zu schieben. Schon die Tatsache, daß eigentlich keiner der Männer in dem kleinen anatolischen Dorf jemals einen Blick in den Koran geworfen hat, relativiert den aufkeimenden Verdacht sehr schnell. Die Autorin möchte dieses Buch nicht als Anklage verstehen, es ist einfach ihre ureigene Geschichte. Aber auch für sie hat der Kampf mit der Vergangenheit bis heute nicht aufgehört, was sich nicht zuletzt an dem Pseudonym erkennen läßt, das sie aus Angst vor Verfolgungen wählen mußte. Fatma B. hat heute diesen Kreis von Gewalt und Menschenverachtung durchbrochen, nur ihre Herkunft und Erfahrungen, die verleugnet sie. Und genau diese Zerrissenheit zwischen unpassender Vergangenheit und wohlbehüteter Gegenwart läßt sich erst nach dem erschreckend ehrlichen Roman erahnen. Hennamond ist eine Lebensbeichte, die Sie betroffen zurücklassen könnte, wäre da nicht der kleine Hoffnungsschimmer von Kraft und Zukunft. Und mit genau diesem Hoffnungsschimmer sollten Sie einen ersten Schritt in Richtung Verständnis wagen, einen Schritt über den tiefen Graben, der uns bisher noch trennt. --tii weniger