Jesus ein Selbstmörder. Au weia. Das wird einen Aufschrei geben. Aber immerhin. Das ist es ja vielleicht, was der Bestsellerautor Jack Miles (zumindest auch) im Sinn gehabt haben dürfte. Zuletzt hatte er mit Gott. Eine Biographie das Alte Testament einer gleichsam literaturwissenschaftlichen Analyse unterzogen, anhand derer er den geistigen Entwicklungsweg Gottes aufzuzeigen suchte -- vom Schöpfer zum sich verbergenden großen Schweiger. Schweigen indes ist die Sache … mehrdes Jack Miles nicht. Darf es auch nicht sein. Denn die Früchte seiner abermals recht eigenwilligen Lektüre des Neuen Testaments wird er wortreich verteidigen müssen. Und weil er dies vermutlich auch wird tun dürfen, wird er gerade damit eine abermals große Leserschaft gewinnen, die ihm freilich nicht jeder gönnt. Klaus Berger etwa, der das Buch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als "ungewöhnlich schwach, ärgerlich und voller Fehler" veriss und argwöhnte, der Zweck der provokanten These sei wohl allein, dem Buch durch die vielen Talkshows und Akademietagungen auf denen es sicherlich "bis zur Ankunft des Notarztes" diskutiert würde, die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen -- "denn negative Popularität ist in Sachen Christentum extrem kassenwirksam". Handelt es sich also um ein Buch, vor dem die Kritik potenzielle Leser bewahren sollte, weil es nur unnötig Lesezeit kostet? Mitnichten! Auch wenn die Übersetzung nicht durchgängig als geglückt bezeichnet werden kann, darf man Jesus. Der Selbstmord des Gottessohnes zumindest all jenen zur Lektüre empfehlen, die diese Gelegenheit zum Anlass zu nehmen bereit sind, die Quellen (also das Neue Testament) wieder zu lesen, aus denen Miles seine These vom Selbstmord Gottes in der Gestalt seines mit ihm selbst identischen Sohnes (sic!) geschöpft haben will. Auch wenn man ihm dabei auf die Schliche kommen sollte, an der ein oder anderen Stelle das Neue Testament aus welchen Gründen auch immer fehlinterpretiert zu haben, birgt Miles Buch nämlich gerade deshalb das ein oder andere wirklich lohnenswerte intellektuelle Abenteuer. --Andreas Vierecke weniger