Ein Kuss, ein paar nicht ganz zufällige Berührungen bei der Arbeit, ein vertrauliches Gespräch -- viel mehr ist nicht vorgefallen. Und doch genug, dass die fleißige und angesehene Bäckersfrau Sophie aus dem Berner Oberland in die Verbannung nach Amerika gehen muss. Wir schreiben das Jahr 1911. Sophie, verheiratet mit ihrer Jugendliebe Göpf, ist mittlerweile 41 und Mutter von drei eigenen und zwei Ziehkindern. Nach ihrem Fehltritt, der nach heutigem Maßstab banal … mehrerscheint, will sie ihre Ehe fortsetzen. Doch dies wird ihr verwehrt. Selbst an ihrem Lebensende verzichtet sie zum Schutz ihrer Kinder auf persönliches Glück -- und wählt ein lebenslanges Exil. Zwei Generationen später macht sich die Icherzählerin auf, die Wahrheit über ihre Großtante Sophie herauszufinden, die Geschichte für ihre eigene Enkelin aufzuschreiben und dadurch Frauenschicksale aus vier Generationen zu verbinden. Anhand von Fotos, Gesprächen mit Nachkommen und Archivstudien in den USA rekonstruiert sie die Familiengeschichte. Das neue Bild der Sophie W. zeigt keine Rebellin, keine treulose, leichtlebige Person, sondern eine schöne, fleißige und liebende Frau, die gerne lebt und singt. Umso quälender erscheint ihr Schicksal und die Ungerechtigkeit, die ihr sogar noch ihre Nachwelt angedeihen lässt. Katharina Zimmermann erzählt von ihrer Spurensuche -- manchmal verkürzt, oft greift die Autorin vor. Doch gerade dieser unruhige Erzählfluss baut eine starke Spannung auf und fesselt. Die mächtige Landschaft des Berner Oberlandes spielt in dem Roman eine bedeutende Rolle. Die Geschichte der Sophie W. ist eine gelungene Mischung aus modernem Heimatroman und anschaulicher Sozialgeschichte. --Irmgard Kirchner weniger