Die Figur des Pfeife schmauchenden Kommissars vom Quai des Orfèvres erblickte das Licht des gedruckten Papiers zum ersten Mal 1931, in Pietr-le-Letton. Siebzehn Jahre später (natürlich macht der Klappentext "fast zwei Jahrzehnte" draus) erzählt uns Simenon die Geschichte von Maigrets erstem Falls, als er noch kleiner Sekretär des Kommissars Le Bret im ruhigen Quartier Saint-Georges war. Maigret schiebt eine ruhige Nachtschicht, als ein aufgeregter Mann ins Revier … mehrgestürzt kommt: Eine Frau habe aus einem Fenster um Hilfe gerufen, und dann sei ein Schuss gefallen. Doch als er, der kleine Musiker Justin Minard, Einlass verlangte, habe ihn der Butler rüde abgewiesen und schließlich gar ins Gesicht geschlagen. Eile sei geboten, es müsse gerettet werden, was noch zu retten sei. Bevor Maigret dem Mann folgt, wirft er noch einen Blick in ein Quartiers-Verzeichnis und bemerkt bestürzt, dass die genannte Adresse zur Villa eines reichen und angesehenen Kaffeegroßhändlers gehört. Vor Ort wird er mit Herablassung behandelt, man zeigt ihm zwar die Räumlichkeiten, doch lässt man ihn spüren, dass er hier nur geduldet ist -- der kleine Sekretär hat sich in der Adresse geirrt. Missmutig feilt Maigret die halbe Nacht an seinem Bericht, der morgens seinem Chef vorliegt. Doch Kommissar Le Bret gehört zu eben jenen Kreisen, denen Maigret so unzweideutig nicht gewachsen ist, und lässt auch sofort durchblicken, dass mit der nötigen Diskretion vorzugehen sei. Die Untersuchungen werden zwar eingeleitet, doch höchst vertraulich, und Maigret selbst wird angewiesen, Urlaub zu nehmen und sozusagen auf eigene Faust zu ermitteln. In den nächsten Tagen erlebt die zukünftige Legende, was es bedeutet, alleine und fast gegen den eigenen Apparat zu ermitteln. Bestimmte gesellschaftliche Sphären scheinen immun gegen seine Vorstöße, und so bleibt ihm schließlich nur die Zusammenarbeit mit einem Hausmädchen und, eher unfreiwillig, mit einem kleinen Ganoven. Als er am Schluss zur Belohnung zur "Chefbrigade" versetzt wird, weiß er noch nicht mal so ganz, womit er das verdient hat. Ein spannender Krimiplot wird zur Parabel über die wirklichen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und die Versuche eines kleinen Mannes, dagegen anzustinken. Simenon erzählt kontrolliert und ohne Aufregung eine Geschichte, an deren Ende wir nicht wissen, ob wir uns freuen können, oder ob eher Enttäuschung am Platz wäre -- genau wie Maigret! --Hannes Riffel weniger