Klappentext:
"Wenn wir die Rechtsbrüche und die vielfältigen Mißbräuche zusammenzählen, von denen heute die Rede war, können wir den Tag voraussehen, da sich in einem Konzentrationslager-Europa nur noch Gefängniswärter auf freiem Fuß befinden." Essays über Spanien, Algerien und Ungarn, über Tyrannei und Freiheit, Terror und Revolte, in denen wir jene großartige Einheit von Ethos und Vernunft, von Lauterkeit und Klarsicht, von Integrität und Scharfsinn erfahren, die Camus … mehreigen war.
Leseprobe:
Das Blut der Freiheit
Paris feuert aus all seinen Waffen in die Augustnacht. In der
gewaltigen Landschaft aus Stein und Wasser, rings um den geschichtsbeladenen
Strom, erheben sich wiederum die Barrikaden der Freiheit. Wiederum
mag die Gerechtigkeit mit dem Blut der Menschen erkauft werden.
Wir kennen diesen Kampf zu gut, wir sind zu sehr mit Leib und
Seele daran beteiligt, um diese Bedingung ohne Bitterkeit hinzunehmen.
Aber wir kennen auch seinen Einsatz und seine Wahrheit zu gut,
um das schwere Schicksal abzulehnen, das wir wohl oder übel
allein tragen müssen.
Die Zeit wird bezeugen, daß Frankreichs Männer nicht
töten wollten und daß sie mit reinen Händen in
einen Krieg getreten sind, den sie nicht gewollt hatten. Wie
überwältigend müssen also ihre Gründe sein,
damit sie plötzlich das Gewehr in die Faust nehmen und ohne
Unterlaß in der Dunkelheit auf die Soldaten schießen,
die zwei Jahre lang geglaubt haben, der Krieg sei ein Kinderspiel!
Ja, ihre Gründe sind überwältigend, weit gespannt
wie die Hoffnung und tiefgründig wie die Revolte. Es sind
die Gründe, die einem so lange Zeit zu einem trüben
Wiederkauen seiner Vergangenheit angehaltenen Land die Zukunft
möglich machen. Paris kämpft heute, damit Frankreich
morgen die Stimme erheben kann. Das Volk steht heute abend in
Waffen, weil es für morgen eine Gerechtigkeit erwartet.
Es gibt Leute, die erklären, das lohne sich nicht und mit
ein bißchen Geduld werde Paris ohne großen Aufwand
befreit. Sie sagen das, weil sie verworren fühlen, wie viele
Dinge durch diesen Aufstand bedroht werden, die bestehen blieben,
wenn alles anders verliefe.
Im Gegenteil, und dies muß ganz klar sein: niemand darf
denken, daß eine in solchen Krämpfen eroberte Freiheit
das geruhsame, zahme Gesicht haben wird, von dem gewisse Leute
gern träumen. In diesen furchtbaren Wehen wird eine Revolution
geboren.
Kartoniert
ISBN: 978-3-499-22192-7
NA
119 S.
H19.2 cm x B11.6 cm x D1.2 cm 110 g weniger