Das Auge wird oft mit einer Kamera verglichen, doch sind Wahrnehmungsprozesse ungleich komplexer als die physikalischen Vorgänge bei der Photographie. Das visuelle System muß ständig wechselnde Reizmuster verarbeiten, die nach geometrisch-optischen Gesetzen auf unsere Netzhaut projiziert werden, damit wir unsere Umwelt mit ihren Flächenanordnungen, Orientierungspunkten, Gegenständen, Texturen. Formen und Farben richtig sehen.
Wir müssen wahrnehmen, wo wir uns in der … mehrUmwelt befinden und wohin wir uns bewegen. Wir müssen den Ausdruck, die Gestik und die Bewegungen unserer Mitmenschen wahrnehmen und schließlich auch die Ergebnisse unserer Handlungen richtig einschätzen. Die Prozesse, die dies leisten, umfassen aktives Auswählen, Aufnahme und Verarbeitung von Information, wobei auch Gedächtnisinhalte einen Einfluß haben. Wahrnehmung baut dabei auf ein kompliziertes Zusammenspiel von Rezeptoren, Nervenzellen, neuronalen Netzen, Gehirnarealen und aktiver Motorik auf. Erst die zahlreichen Verarbeitungsmechanismen, die durch Lernen weitgehend modifiziert werden können, ermöglichen es dem visuellen System, die Fülle der Informationen von unserer Umwelt auf das Wesentliche zu beschränken und richtig zu interpretieren.
Diese Mechanismen der Wahrnehmung ähneln in mancher Hinsicht bewußten Erkenntnisvorgängen, so daß die Wahrnehmungsforschung auch unser Denken in neuem Licht erscheinen läßt. In diesem Buch berichten führende Wissenschaftler über visuelle Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsstrategien, Raumwahrnehmung und räumliches Vorstellen, über Kontrast, Form- und Bewegungsanalyse beim Sehen von Gegenständen, geometrisch-optische Täuschungen und ihre Beziehung zur Raumwahrnehmung, über Augenbewegungen, sowie erfahrungs- und umweltabhängige Entwicklung des Sehsystems und über die neuronalen Grundlagen dieser Vorgänge. weniger