So reich sie auch jeweils für sich genommen sind, sollte man letztlich doch keinen von Rainer Werner Fassbinders Filmen ganz isoliert betrachten. Jeder von ihnen ist Teil eines großen, fast organisch anmutenden Lebenswerkes, in dem alles, die frühen Kurzfilme und die eleganten Melodramen, die spröden Gangsterfilme und die späten Frauen-Porträts, miteinander vernetzt ist. Mal sind es nur Kleinigkeiten, die eine Produktion mit den anderen verbindet, und mal kann man sich … mehrso wie bei Götter der Pest und Liebe ist kälter als der Tod den einen Film ohne den anderen kaum vorstellen. Fassbinders dritter Spielfilm ist zugleich Fortsetzung und Variation seines Debüts. Die zentrale Figur ist wieder ein kleiner Gangster mit dem Namen Franz. Nur verkörpert ihn diesmal Fassbinders enger Mitarbeiter Harry Baer und nicht der Regisseur selbst. Als Franz nach Jahren aus dem Gefängnis kommt, kehrt er zunächst zu seiner Freundin Joanna zurück, die hier wie in Liebe ist kälter als der Tod von Hanna Schygulla gespielt wird und nun als Sängerin in einem Nachtklub arbeitet. Nur sperrt sie ihn mit ihrer Liebe regelrecht ein, und so bricht er aus. In der Kellnerin Margarethe (Margarethe von Trotta) findet Franz schließlich eine nichts von ihm fordernde Geliebte. Nachdem er seinen alten Freund Gorilla (Günther Kaufmann) wiedergetroffen hat, plant er einen Überfall auf einen Supermarkt. Doch die beiden werden erst von der eifersüchtigen Joanna und später noch von der besorgten Margarethe an die Polizei verraten. Es sind längst nicht nur die Namen der Figuren, die Fassbinders ersten und zweiten Münchner Gangsterfilm miteinander verbinden. Entscheidender sind da schon ihre strukturellen Parallelen. Beide erzählen sie ihre Geschichte in kleinen episodischen Fragmenten, die sich kaum zu einem geschlossenen Ganzen zusammenfügen. Die Welt, die Fassbinder hier wie in allen seinen frühen Filmen porträtiert, ein fast schon proletarisches Kleinbürgermilieu, verweigert sich einem großen erzählerischen Bogen, der Sinn stiftet und ein klares Ziel hat. Mehr noch als in allen seinen anderen Filmen werden hier direkte Wiederholungen und leichte Variationen zum bestimmenden Erzählprinzip. Einige Elemente der Geschichte von Götter der Pest stammen direkt aus seinem Vorgänger und betonen zugleich den Zusammenhang der beiden Filme und die künstlerische Entwicklung, die Fassbinder in der Zwischenzeit gemacht hat. Franz wird erneut von Joanna verraten, auch wenn sie hier aus enttäuschter Liebe statt aus Sorge handelt, und Margarethes Anruf bei der Polizei ist praktisch ein Zitat aus Liebe ist kälter als der Tod, nur war es da eben Joanna, die Franz retten wollte. Zudem spiegelt sich in der Freundschafts- und Liebesbeziehung zwischen Franz und dem Gorilla das Verhältnis von Franz und Bruno. Die Menschen sind bei Fassbinder von der Gesellschaft dazu verbannt, immer wieder die gleichen Fehler zu machen. Ein Ausbruch aus einmal etablierten Verhaltensmustern ist unmöglich, und so kann am Ende auf alle nur Einsamkeit oder der Tod warten. --Sascha Westphal weniger
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