Der kleine Schneidergeselle Wenzel (Heinz Rühmann) verpfuscht einen Frack. Kurzerhand wird er von seinem Meister vor die Tür gesetzt. Den Frack darf er behalten. Er zieht ihn über -- und wird prompt für einen russischen Adeligen gehalten, der inkognito reist. Während in Europa und anderen Teilen der Welt der Krieg wütete, produzierten die deutschen Filmstudios Lustspiel über Lustspiel, ganz so, als ginge Deutschland dieser Krieg nichts an. Zu Recht sind viele dieser … mehrFilme, die die Menschen von den Geschehnissen in der Welt ablenken sollten, heute vergessen (dies gilt besonders für die Propagandamachwerke der Zeit). Hinzu kommt die Tatsache, dass die Regie-Elite das Land verlassen hatte und die meisten Filme dieser Zeit allenfalls als handwerklich zufriedenstellend bezeichnet werden können. Kunst wurde in Deutschland nicht mehr produziert. Eine Ausnahme in der deutschen Filmlandschaft stellte Helmut Käutner dar, der sich darum bemühte, zeitlose Unterhaltungsfilme zu drehen, ohne in den Mühlen der Politik zerrieben zu werden. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gehörte der Regisseur Helmut Käutner noch dem Brettl Quartett an, einer Kabarett-Gruppe, die mit durchaus scharfzüngigen Pointen das Publikum begeistern konnte. 1935 aber wurde die Gruppe verboten. Während zwei Mitglieder daraufhin emigrierten, arrangierte sich Käutner mit dem Regime und wechselte zum Film. Dieses Arrangement hat Käutner bis an sein Lebensende angehangen, ob zu Recht oder zu Unrecht, das muss jeder Zuschauer seiner Filme für sich selbst entscheiden. Ein hundertprozentiger Parteigänger zumindest war Käutner nicht, bereits mit seinem ersten Spielfim, Kitty und die Weltkonferenz, bekam er schließlich gewaltigen Ärger: Nach gerade einmal drei Spieltagen wurde der Film verboten, war er den Nazis doch zu hintergründig-satirisch (Ironie des Schicksals: Nach dem Krieg blieb der Film erst einmal verboten, da er den Alliierten zu antibritisch erschien, wird doch ein britischer Minister in diesem Film als fieser Schurke dargestellt). Nach dem Ärger, den sich Käutner für Kitty und die Weltkonferenz eingehandelt hatte, drehte er mit Frau nach Maß eine unverfängliche Komödie, der schließlich Kleider machen Leute folgen sollte, der Film, mit dem Käutner einem großen Publikum bekannt werden sollte. Käutner nahm eine Novelle Gottfried Kellers als Vorlage, arbeitete sie jedoch in einem entscheidenden Punkt um: In Kellers Vorlage ist der Schneider Wenzel ein Angeber, in Käutners Film wird aus Wenzel ein Opfer der Umstände. Wenzel will die Menschen gar nicht blenden. Sie sind es, die in ihm etwas sehen, was er nicht ist. Er sagt ihnen stets: "Bin nur ein Schneider". Was kann er dafür, dass die Menschen ihm nicht zuhören? Kleider machen Leute, angesiedelt im frühen 19. Jahrhundert, ist ein wunderbar ausgestatteter Film. Während in Europa Krieg herrschte, entstanden in Babelsberg prachtvolle Kulissen und ebenso prachtvolle Kostüme. Für Rühmann, bis dato ausschließlich auf Komödien abonniert, bot sich erstmals die Chance, eine ernsthafte Rolle zu spielen. Bei allen komödiantischen Momenten verbreitet Käutner eine gewissen Melancholie, denn er erinnert an Zeiten, in denen das Leben einfacher gewesen ist. Diese Melancholie scheinen die Nazi-Zensoren übersehen zu haben. Eindrucksvoll ist auch heute noch die Eingangssequenz des Filmes. In einer Art Vision sieht sich Wenzel in einem wunderbaren Frack. Er gerät für einen Moment in eine surreale Welt, in der ihm eine Göttin gegenüber tritt und ihm ihre Hand reicht. Vor den Augen des verwunderten Schneiders verwandelt sie sich in Nettchen (Hertha Feiler), eine junge Frau, die wirkliche existiert und in die sich Wenzel verlieben wird. Herta Feiler ist in dieser Sequenz für einen Moment übrigens nackt zu sehen. Mögen die Zensoren schon den melancholischen, durchaus kritischen Unterton übersehen haben, ist es ein Wunder, dass sie diese Nacktsequenz haben durchgehen lassen. --Christian Lukas weniger