Tony Falcone ist in dem kleinen französischen Dorf, in dem er aufgewachsen ist und nach längerer Abwesenheit nun wieder lebt, nicht unbedingt beliebt. Einerseits hängt das mit seiner italienischen Abstammung zusammen, andererseits mit seinem Erfolg: Tony hat sich einen kleinen, gut gehenden Betrieb aufgebaut, er verkauft Traktoren und Erntemaschinen und kümmert sich um ihre Wartung. Ihm selbst ist die Abneigung seiner Nachbarn kaum bewusst, denn er lebt eher … mehrzurückgezogen mit Frau Gisèle und Tochter am Rand des Dorfes. Sein Leben ist von Arbeit bestimmt und verläuft in geordneten Bahnen, sieht man einmal von einer leidenschaftlichen Affäre ab, die ihn mit Andrée, der Frau des Lebensmittelhändlers, verbindet. Acht Mal in elf Monaten haben sie sich im Hotel von Tonys Bruder getroffen -- für Tony beglückende Erlebnisse, die ihn jedoch nicht an seinem Lebensplan zweifeln lassen. Andrée dagegen will sich mit den Gegebenheiten nicht abfinden. Und als ihr Mann eines Tages tot aufgefunden wird, ahnt auch Tony, was ihm bevorsteht! Es fällt schwer, bei der Beurteilung von Georges Simenons Büchern nicht ständig mit Superlativen um sich zu werfen. Das blaue Zimmer gehört auf jeden Fall zu seinen Meisterwerken. 1963 geschrieben, überzeugt der Roman nicht nur durch seine psychologisch genau geschilderten Protagonisten, sondern auch durch einen Wechsel zwischen den Zeitebenen, der die Spannung bis an die Grenze des Erträglichen steigert. Mögen Kritiker für Grisham und Co. den Begriff "Pageturner" geprägt haben -- auf Simenon traf er zu, lange bevor er dem inflationären Gebrauch anheim fiel. --Hannes Riffel weniger