Die Ich-Erzählerin aus Kveta Legátovás Roman Der Mann aus elary, eine junge Ärztin, hat alles im Kopf. Das Mietshaus an der Straßenecke, mit den drei Stockwerken und den zwei Eingängen, in das sie mit einer Baskenmütze eintritt, um es dann an der anderen Seite mit einem Kopftuch wieder zu verlassen. Die Tür gegenüber der Treppe, ganz oben. Und das Ritual jener Aufgabe, die ihr inzwischen "in Fleisch und Blut" übergegangen ist: Den Briefumschlag unter dem Türschlitz … mehrdurchschieben, aber erst loslassen, nachdem am anderen Ende zweimal gezogen wird. Wenn Schwierigkeiten auftreten, muss der Umschlag vernichtet werden. Es treten Schwierigkeiten auf im Leben der Ärztin -- Schwierigkeiten, mit denen sie in der ganzen Routine des "aufregenden Spiels", ihrer Zusammenarbeit mit einer Widerstandsgruppe im Protektorat Böhmen und Mähren in den Jahren 1942 und 1943, gar nicht gerechnet hatte. Die Nationalsozialisten kommen ihr auf die Schliche, und nur die Heirat mit dem Patienten ihres besten Freundes kann sie retten. Der aber ist nur ein einfacher Holzfäller aus dem Dörfchen elary, in das die urbane Frau nun fliehen muss, um ihrer neuen Identität Glaubwürdigkeit zu verleihen. Und in elary ist die Zeit vor hundert Jahren einfach stehen geblieben. Der Mann aus elary, dessen Verfilmung 2004 für einen Oskar nominiert wurde, ist ein stiller Roman inmitten einer turbulenten Zeit. Er erzählt die Geschichte einer Frau, die mit der Schreckensherrschaft der Nazis in ihrer Heimat nicht nur ihre Persönlichkeit verraten muss, sondern auch aus der Gegenwart der Geschichte hinausgeschleudert wird -- und doch den Glauben an die Liebe findet. Anrührend, poetisch und erschreckend zugleich. -- Isa Gerck weniger