Exakt ein halbes Jahrtausend, nachdem sich die Europäer anschickten, sich den Globus untertan zu machen, ist ihre Macht rasant im Schwinden begriffen. Dies wird durch kaum etwas sinnfälliger als durch die Wahl des Afroamerikaners mit muslimischen Vorfahren, Barack Hussein Obama, zum ersten farbigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Anlass genug für den ebenso weit- wie hellsichtigen Chronisten und Interpreten des Zeitgeschehens, Peter Scholl-Latour, seiner Rolle … mehrgerecht zu werden und einen prophetischen Abgesang auf die Weltherrschaft des weißen Mannes anzustimmen. Angelehnt an den Titel Die Last des weißen Mannes eines Buches aus der Feder des Propagandisten des britischen Empires, Rudyard Kipling und aufgebaut wie die Lusiaden des portugiesischen Nationaldichters Luís Vas de Camões besingt der 85jährige weitgereiste Seher in altbekannt schonungsloser Prosa die aktuelle Lage der Welt. Einmal mehr zieht der Altmeister der politischen Reportage in seinem mittlerweile 30. Buch dabei sämtliche Register, spannt furios historische und geographische Bögen, stellt Zusammenhänge her und lässt massenweise hochkarätige Zeitzeugen auflaufen und zu Wort kommen. Sein Buch führt von den portugiesischen und spanischen Konquistadoren zur aktuellen Reconquista durch die Abkömmlinge der präkolumbianischen Kulturen in Bolivien, Venezuela und sogar in den von den Angloamerikanern geraubten Territorien in den USA. Es zeigt den Schwund kolonialer Größe auf die kläglichen Überreste von Militärstützpunkten, den Aufstieg Chinas vom Spielball zum mächtigsten Konkurrenten der europäischen Mächte, die aktuelle Lage im Mittleren Osten und Zentralasien, wo Amerikaner und Russen gleichermaßen in schwere Bedrängnis geraten sind. Wenngleich sein Lieblingsthema, der Islam, auch diesmal nicht zu kurz kommt, wendet sich Scholl-Latour erstmals auch Weltreligionen zu, die in seinen Büchern bisher zu kurz kamen. Unter anderem findet der pazifische Ozean eine angemessene Beachtung, wo Entwicklungen im Gange sind, die die Zukunft prägen könnten. Wie alle Jahre wieder eine erleuchtende Lektüre trotz Scholl-Latours fragwürdiger Trauer über den Verlust der Ordnungsmacht des britischen Weltreichs und den schwindenden Einfluss Frankreichs in Afrika sowie seines Schauderns bei der Perspektive auf eine globale Entwicklung, an deren Ende das biologische Ende des ,weißen Mannes stünde. Arnold Abstreiter weniger