Mit einem Klopfen hatte alles begonnen! Die Frau, die verzweifelt ans Fenster des abfahrenden Zuges hämmerte, war Dr. Manuel Ritter völlig unbekannt gewesen. Der HNO-Spezialist, auf dem Heimweg von einem Tinnitus-Kongress in Basel zurück ins behagliche Haus am Züricher See, wo Frau und Kinder auf ihn warteten, hatte den Zwischenfall schon bald wieder vergessen. Wenige Tage später jedoch tauchte die schöne Fremde erneut in seiner Praxis auf. Ihr mehr als ungewöhnlicher … mehrWunsch ließ Manuel damals in eine verhängnisvolle Affäre taumeln. Was blieb, war das Grußfoto einer glücklich dankenden Mutter und ihres Babys, das nach einem Jahr in sein Postfach flatterte. Als zwanzig Jahre später Manuels inzwischen erwachsener Sohn eine neue Freundin ins Haus bringt, beginnt es erneut das Klopfen. Diesmal in Dr. Ritters Kopf! Mit diesen irritierenden Zutaten, eröffnet Franz Hohler seine ganz persönliche Traumnovelle. Und das macht er schon verdammt gut, der Schweizer Nationalheld, singende Harfenmeister, Kabarettist, Kinderbuchautor, Stückeschreiber und und und (man besuche nur einmal Hohlers lustig spartanische Homepage). Das schlitzohrige Multitalent reibt die Nase des neugierigen Lesers genüsslich hinein in den Flecken im Reinheft (einer der charmanten Helvetismen des Buches) seines nur scheinbar tadellosen Helden. Warum nur fühlt sich Manuel Ritter von Anna, der Freundin seines Sohnes Thomas, an jenen Seitensprung vor zwanzig Jahren erinnert? Doch, Vorsicht! Wer hier voreilig glaubt, die Lösung bereits zu kennen, ist schon in eine der fiesen Hohler-Fallen getappt! Dem Eidgenossen gelingt, was schon viele große Autoren seiner Heimat auszeichnete. Akkurat gepinselte Biografien (darf man sagen, dass sie in ihren besten Momenten sogar an Dürrenmatt erinnern?), die ein dünnlippig lächelndes Schweizer Gesellschaftsidyll präsentieren, unter dem ein zäher, zutiefst albtraumhafter Seelenpfuhl blubbert. In einem solchen paddelt ein hilfloser HNO-Spezialist, gejagt von seinen eigenen, stressbedingten Klopfgeistern, die ihm den alten Fehltritt gnadenlos in den Kopf hämmern. Doch das buchstäblich dicke Ende wartet noch auf ihn. Wenn man die mal beängstigend realen, mal augenzwinkernden Klopfzeichen richtig liest, ist Franz Hohler ein großer Herbstwurf gelungen. -- Ravi Unger weniger