Finbars Hotel, eine in Ehren heruntergekommene Pension am Ufer des Liffey, wurde kürzlich an einen Rockstar verkauft und soll demnächst abgerissen werden. Doch noch ist der Betrieb voll im Gange: In der Eingangshalle treffen wir auf die übliche alltäglich-seltsame Klientel einer drittrangigen Herberge in Bahnhofsnähe. Da ist der gelangweilte Ehemann auf der verzweifelten Suche nach dem Dubliner Nachtleben (und der Minibar), zwei zankende Schwestern mit einem dunklen … mehrGeheimnis, eine Gruppe amerikanischer Touristen auf der Suche nach ihren irischen Wurzeln, eine Abteilung der Stadtverwaltung bei ihrer deprimierend feucht-fröhlichen Betriebsfeier, ein jähzorniger Elektriker, der auf Rache an seiner Ex-Freundin sinnt und der deswegen ihre Katze entführt, die krebskranke Frau, die in Hotels wohnt, weil sie ihr "das Gefühl geben, daß noch Leben in ihr steckt" -- und dazwischen der servil-souveräne Geschäftsführer, würdevoll und diskret, eine Institution, so alt wie das Hotel selbst; ein Anachronismus, herübergerettet aus besseren Zeiten. Jedes Kapitel handelt von einem anderen Zimmer und dessen Bewohner. Gelungen und soweit ganz amüsant, aber nichts besonderes, wäre da nicht die ungewöhnliche Idee des Herausgebers und Mitautors Dermot Bolger, den Roman sozusagen selbst zum Hotel werden zu lassen: Bolger quartierte sechs befreundete Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Finbars Hotel ein, indem er sie jeweils ein Kapitel des Romans schreiben ließ -- ohne jedoch zu verraten, welches. Das Ergebnis dieses literarischen Ratespiels ist ein durchaus nicht immer bunter Reigen sich überschneidender Erzählungen, lose zusammengehalten durch den gemeinsamen Schauplatz und nur scheinbar zufällige Begegnungen der Protagonisten. Ganz nebenbei bietet Finbars Hotel eine ausgezeichnete Gelegenheit, sieben der bedeutendsten Autoren und Autorinnen der irischen Gegenwartsliteratur auf einmal kennenzulernen -- wie man sich eben oft in Hotels kennenlernt: flüchtig, aber mit dem Wunsch, sich wiederzutreffen. --Norbert Volz weniger