"Ich bin durchsichtig geworden. Das muß so um die Sechzig herum begonnen haben", so die niederschmetternde Erkenntnis von Florence. Wie hatte sie es einst genossen, wenn sich ihr Bild in den Augen der Männer spiegelte. Nun im Alter ist sie einfach nicht mehr vorhanden. Sogar Vincent, ihr eigener Mann, scheint sie nicht mehr wahrzunehmen. Die Aussicht auf ein würdevolles Altern in heiterer Resignation, verdammt zu Geschlechtslosigkeit, Anstand und idiotischer … mehrAltersweisheit, läßt Florence ihr zweites Leben beginnen. Mit großem Verständnis und leisem Ton behandelt die 1920 in Genf geborene Yvette Z'Graggen die Problematik eines alten Ehepaares, das nach vierzig Jahren die gemeinsame Wohnung in der französischen Schweiz räumen muß und nun in einer Seniorensiedlung an der spanischen Ostküste dem Lebensabend entgegensieht. Während Vincent, seiner Heimat beraubt, zusehends verfällt und resigniert, setzt die neue Umgebung in Florence ungeahnte Kräfte frei.
Sie beginnt sich nachzuspüren und stellt fest, daß sie ein Leben lang nur von Verhinderern umstellt war. Phantasiefreien Menschen wie ihren Eltern, die ihrer Verträumtheit und dem kindlichen Wunsch, Schriftstellerin zu werden, nur mit Häme und dümmlicher Ablehnung begegneten. Dieses unausgelebte Leben fand in der Ehe mit dem steinernen Vincent eine traurige Fortsetzung. Ein solides und langweiliges vierzigjähriges Stilleben mit Kreuzworträtseln.
Wie so oft schon als Kind zieht sich Florence wieder einmal auf ihr "Floß Einsamkeit" zurück, diesen gedachten Schutzraum ihrer Träume. Doch diesmal wird sie Vincent mit sich nehmen, alles wird gut werden. Zusammen werden sie La Punta de Tarifa ansteuern, diesen magischen Ort, an dem Mittelmeer und Atlantik zusammenfließen. Und sie wird ihr Buch schreiben. --Ravi Unger weniger